Warum immer auf eine Review nach Abschluss der Serie warten, wenn man sich schon nach der ersten Episode beziehungsweise dem ersten Band einen Eindruck bilden kann? Da setzt Ersteindruck an und gibt schon einmal einen Ausblick darauf, ob es sich lohnt, dem Anime oder Manga eine Chance zu geben oder nicht.

Titel:	Shin-chan: Crash! Königreich Kritzel und fast vier Helden
Genre:	Comedy
Studio:	Shin-Ei Animation
Jahr:	2020
Länge:	1h 43min
Publisher:	Polyband Anime
Preis:	21,99 €

»Shin-chan« ist jedem deutschen Anime-Fan ein Begriff. In den 2000er-Jahren lief die Comedy-Serie auf dem Fernsehsender RTL 2 direkt vor der Ausstrahlung von »Dragonball Z«. Die 130 übersetzten Episoden haben auch in der heutigen Zeit noch Kultstatus. Nach einer langen Pause gab der Publisher Polyband Anime zu Beginn des Jahres 2019 bekannt, dass sie bisher unveröffentlichte Episoden des Animes in Deutschland mit neuer Synchronisation veröffentlichen werden. Neben der TV-Serie wurden in Japan aber auch 28 unterschiedliche Kinofilme der Serie veröffentlicht – seit 1993 jedes Jahr ohne Unterbrechung einer, kein Scherz! Der 28. Film »Shin-chan: Crash! Königreich Kritzel und fast vier Helden« ist nun der erste, der auch in Deutschland veröffentlicht wird. Ob das Franchise den Test der Zeit bestehen konnte, prüft Shin in seinem Ersteindruck.

(Zusammenfassung)

Das Königreich Kritzel ist in Aufruhr. Weil die Kinder auf der Erde nicht mehr so viel kritzeln, fehlt Kritzel-Energie, die das Königreich schweben lässt. Der Verteidigungsminister sieht nur eine Lösung. Er sperrt den König ein und will von Kasukabe in Japan aus die Erde erobern. Dann will er die Kinder zwingen zu kritzeln. Gesagt getan. Doch der Prinzessin gelingt es, den Hofmaler auf die Erde zu schicken, um dem auserwählten Helden den Zauberstift zu übergeben. Der Held ist natürlich Shin chan. Dieser kritzelt sich drei Helfer und zusammen mit dem Jungen Yuma, machen sie sich auf, die Erwachsenen zu befreien und die Armee des Königreich Kritzels zu bezwingen.

Polyband Anime

 Eine simple Geschichte, die funktioniert

»Shin-chan« zehrte bisher in der Serie nicht unbedingt von seinen wendungsreichen Geschichten. Die kleinen Abenteuer des fünfjährigen Rabauken sind häufig nur als Rahmenbedingungen zu verstehen, die für die Witze benötigt werden. In Filmlänge ändert sich dieser Umstand: Neben den Running Gags steht auch die Geschichte im Vordergrund. Ähnlich wie in den neuen Videospielen zur »South Park«-Serie erleben wir die Verbindung zweier Realitäten.

Neben der Menschenwelt existiert eine weitere Welt, die sich stark an den Fantasien junger Kinder orientiert: die Kritzel-Welt. Die typische Konstellation von Antagonist, einer Prinzessin in Nöten und der Heldengruppe ist bewusst recht simpel gehalten – sicherlich auch um jüngere Zuschauer nicht zu verwirren. Wer also mit dem Konzept der Heldenreise vertraut ist, kann den Großteil der Schritte der einzelnen Helden-Archetypen in diesem Film leicht vorhersehen. Regisseur Takahiko Kyōgoku spielt trotzdem teilweise zumindest mit den Erwartungen der Zuschauer – speziell bei der Rekrutierung der Gefährten für die Reise. Auch das Gimmick des Films – ein Zauberstift, der gezeichnete Gegenstände zum Leben erwecken kann – ist aus Videospielen wie »Okami« bekannt.

Einen Pluspunkt erhält der Film außerdem dafür, dass die immer wieder auftauchenden Kritzeleien Einsendungen von japanischen Grund- und Mittelschülern sind.

 Humor, der sich nicht ändert

Geschichte schön und gut, aber der Humor ist sicherlich DER Grund, warum man sich »Shin-chan« auch als älterer Anime-Fan in der heutigen Zeit anschaut. Bekannt war »Shin-chan« speziell für seine kreativen Beleidigungen und Fäkalhumor, weshalb RTL 2 im Laufe der Ausstrahlung sogar die Ausdrücke aufgrund von Protesten abmildern musste. Diese Zeiten sind vorbei.

Die Übersetzung solcher Gags ist häufig schwierig, das deutsche Synchronbuch hat dies im Großteil der Szenen aber sehr gut geschafft. So werden witzige Wortspiele wie »Auf Schniedelsehen!«, »Arschmeise« oder »Sumo-Schwein« kreiert.

Der Humor in »Shin-chan: Crash! Königreich Kritzel und fast vier Helden« ähnelt dabei stark dem der alten Serie. Shin-chans Charakter ähnelt nach wie vor eher einem zynischen, perversen Mann als einem fünfjährigen Kind, wodurch er häufig Situationen heraufbeschwört, in denen Fünfjährige normalerweise nicht stecken: So ist er immer noch in die Studentin Nanako verliebt und versucht sie mit seinem »Charme« zu verführen.

Zusätzlich lebt der Film von seinen Running Gags. So kehrt der bekannte »Po-Boogie-Woogie« wieder zurück, Shin-chans Mutter ist immer noch flachbrüstig und Shin-chan versucht statt nützlichen Dingen andauernd Paprikaschnitzel zu kritzeln. All dies kann witzig sein, ist aber auch sehr repetitiv, sodass der Film teilweise so wirkt, als ob er in den 90ern hängen geblieben ist. Dies lässt sich durch die Anspielungen auf andere Anime teilweise bestätigen. Statt aktuelle Serien wie »Demon Slayer« zu parodieren, gibt es einen Witz über Sosake aus »Noruti« – you get it?

 Eine Message, die nicht plump daherkommt

Zu Beginn des Films scheint es, als ob »Shin-chan: Crash! Königreich Kritzel und fast vier Helden« eine relativ einfache Boomer-Message rüberbringen möchte: »Fortschritt ist schlecht.«

Glücklicherweise werden verschiedene Facetten beleuchtet, sodass diese Message am Ende des Films gar nicht mehr so dasteht. Vielmehr wird die Frage aufgeworfen, wie wichtig Freiheit für Kinder ist: Kritzeleien können dem Königreich nur helfen, wenn sie »frei« gezeichnet werden – ein Zwang zum Zeichnen ist also nicht hilfreich. Speziell in der japanischen Gesellschaft müssen Kinder von Beginn ihres Lebens an funktionieren: Aufnahmetests, Nachhilfeunterricht und Schulklubs bestimmen den Großteil ihres Lebens. »Shin-chan: Crash! Königreich Kritzel und fast vier Helden« zeigt, dass Kinder Freiheit und Freizeit benötigen, um sich auszuleben und um Ideen zu kreieren, die in Zukunft metaphorisch »Die Welt retten« können.

Die Bewohner des Königreichs Kritzel lernen, dass sich die Welt ändert und dass sie sich anpassen müssen, um weiterhin zu überleben – und dass Zwang nicht die richtige Lösung ist. In der aktuellen Gesellschaft existieren viele Möglichkeiten, wie Kinder sich beschäftigen können, und es ist sinnvoll, die Vorteile aller dieser Möglichkeiten auszunutzen. So ist es genauso wenig verschwendete Zeit, wenn Kinder Videospiele spielen, Kritzeleien können aber auch Teil eines erfüllten Kinderlebens sein.

Zusätzlich zeigt der Film, dass Erwachsene auch von ihren Kindern lernen können. Shin-chan versucht, die älteren Personen zu warnen. Da diese nicht auf ihn und seine Freunde hören, geschieht ein Unglück.

Fazit:

»Shin-chan: Crash! Königreich Kritzel und fast vier Helden« ist genau das, was sich Fans der alten Serie von dem Franchise erwarten: Fäkalhumor, perverse Witze und viele Running Gags. Aber auch »Shin-chan«-Neulinge ohne Franchise-Vorkenntnisse können diesem Film getrost eine Chance geben, solange sie kein Story-Meisterwerk erwarten, da das Zusammenspiel der zwei unterschiedlichen Welten und der Wechsel auf das längere Filmformat gut funktionieren.