Angezockt – »Final Fantasy XVI« – Eine neue Ära beginnt

Nach langem Warten liefert Square Enix seinen Fans nun endlich einen neuen Ableger der weltweit bekannten Final-Fantasy-Reihe. Dieser unterscheidet sich stark von seinen Vorgängern. Wie viel Rollenspiel noch in »Final Fantasy XVI« drin ist und ob Fans der alten Spiele trotzdem Spaß haben können, hat Phil Brülke geprüft.

FF16 Cover
Titel: Final Fantasy XVI
Genre: Action-Adventure
Publisher: Square Enix
Entwickler: Square Enix
Release: 22. Juni 2023
USK: Ab 16 Jahren
UVP: 79,99 Euro

Neben Giganten wie »Zelda: Tears of the Kingdom« und »Starfield« zählte »Final Fantasy XVI« für das Jahr 2023 zu den am sehnlichst erwarteten Videospielen. Jetzt ist es endlich draußen und bringt die Reihe in eine komplett neue Richtung. Was Jahrzehnte als Speerspitze des Rollenspiel-Genres galt, versucht sich jetzt als Action-Adventure. Viele bekannte Aspekte der Reihe fallen dadurch komplett weg. Gleichzeitig bleiben bekannte Schemen unberührt. An der Frage, ob es der richtige Weg ist oder die Umstellung zu radikal war, scheiden sich die Geister. Was man allerdings vorwegsagen kann: »Final Fantasy XVI« polarisiert und will sich beweisen.

 

Möge das Blut in Strömen fließen

FF16 01Auf dem Kontinent Valisthea koexistieren sechs Großmächten miteinander. Jedes Reich beherrscht einen »Mutterkristall«, bergartige Konstrukte, die extreme Mächte in sich tragen. Ein jeder Mutterkristall bestimmt einen sogenannten »Dominus«. Dies sind Personen, die eine mächtige Kreatur namens Esper in sich tragen, beschwören und zum Kämpfen nutzen können. Joshua Rosfield ist einer dieser Dominus und beherbergt Phönix in sich. Er ist der Sohn des Erzherzoges von Rosaria, einem der sechs großen Reiche in Valisthea. Sein Bruder Clive, die Hauptfigur von »Final Fantasy XVI«, ist als ältester Bruder die persönliche Leibwache von Joshua, da dieser mit seiner Gabe für das Herzogtum extrem wichtig ist. Jedoch läuft nicht alles friedlich ab, denn nach einem Angriff auf das Herzogtum zerbricht die heile Welt des jungen Clives durch ein tragisches Schicksal. Seitdem ist er auf einem Rachefeldzug gegen die, die ihm alles genommen haben. Dabei kann er sich sowohl auf alte als auch neue Gefährten verlassen. Doch Clive kämpft nicht nur gegen seine Vergangenheit. Der Kontinent Valisthea wird nämlich von einer Plage heimgesucht, die sich »Fäule« nennt und alles verrotten lässt.

FF16 02Die Handlung von »Final Fantasy XVI« ist eine grundsolide Geschichte über Kriege, politische Machtspielchen, Unterdrückung und der Verzweiflung eines gebrochenen Bruders. Diese ist wahnsinnig gut inszeniert und rübergebracht. Gerade die Mischung aus politischen Intrigen und Machtverschiebungen auf dem Kontinent fesseln einen immer mehr an die Konsole. Leider wird es etwas eindimensional, wenn es um die Charaktere innerhalb der Geschichte geht. Diese sind relativ blass geschrieben und entwickeln sich wenig bis gar nicht im Verlauf der circa 30-stündigen Haupthandlung. Die meiste Tiefe bekommen noch die Antagonisten, während die Party rund um Clive fast schon egal und austauschbar wirkt. Dies sorgt leider dafür, dass dramatische Szenen weniger wirken. Während die meisten Final-Fantasy-Titel immer darauf ausgelegt waren, eine Abenteurertruppe auf ihrem Weg zu begleiten, gerät durch den extremen Fokus auf Clive die restliche Party des Öfteren schnell in Vergessenheit. Trotzdem schafft es das Grundgerüst der Geschichte und vor allem das gute Tempo, dass man als Spieler am Ball bleibt. Auch positiv anzumerken ist die erwachsenere Erzählweise, in der es – eher untypisch für ein Final Fantasy – sehr brutal und blutig vonstattengeht.

 

Weniger schnacken, mehr hacken

FF16 03Es ist kein Geheimnis, dass die Spiele im Final-Fantasy-Universum immer Action-lastiger werden und dem klassischen rundenbasierten Rollenspiel schon lange Adieu gesagt haben. »Final Fantasy XVI« macht da weiter, wo die Vorgänger aufgehört haben, und dringt sogar noch tiefer in die Materie des Action-Adventures ein. Schon im Prolog ist klar: Euch erwartet keine große zusammenhängende Welt, die ihr frei erkunden könnt. Stattdessen führen euch Sequenzen in mal kurze und mal längere Abschnitte. Hierbei wird auf das seit »Final Fantasy X« bewährte Prinzip gesetzt: Schlauchlevel. Was oft als Schimpfwort innerhalb der Reihe genutzt wird, ist für den Erzählstrang von »Final Fantasy XVI« eher förderlich. Innerhalb der Haupthandlung werden euch Gebiete und der Grund, warum ihr dort seid, meist mit einer Sequenz vorgestellt. Später schließen sich diese zu größeren Arealen zusammen. Diese könnt ihr dann auf der Weltkarte auswählen und frei besuchen. Allerdings passiert dies oftmals nur wegen Nebenaufgaben, da die Gebiete selbst durch die Leere an Möglichkeiten nicht gerade den Entdeckerdrang in einem wecken. Gleiches gilt leider auch für die Nebenquests. Diesen fehlt es leider sehr an Kreativität. Jede Nebenquest läuft nach dem alten MMO-Muster ab: Gehe zu Punkt A, erschlage X Gegner und geh zum NPC zurück, um die Quest abzugeben. Hier hätte es dem Spiel gutgetan, das Konzept Nebenquests komplett zu streichen, da diese lediglich Spielzeitstrecker sind und kaum Mehrwert bieten. Hier kommt dem Spiel zugute, dass im Lauf der Handlung Jagdaufträge aktiviert werden. Diese schicken euch in die Gebiete, um stärkere Gegner zu erlegen. Dies ist zwar nicht so kreativ gelöst wie bei einem »Final Fantasy XII«, aber bringt immerhin Abwechslung ins Spiel. Trotz fehlender Motivation, die Gegenden zu erkunden, bieten sie immerhin etwas fürs Auge und sie sind abwechslungs- und detailreich gestaltet.

FF16 04Zwischen den vielen großartigen Sequenzen gilt es aber nicht nur die Level abzulaufen, sondern auch zu kämpfen. Dies ist der größte und wichtigste Punkt des Gameplays von »Final Fantasy XVI«. Hier wird auf ein simples, aber effektives Action-Kampfsystem gesetzt, an dem kein geringerer als Ryota Suzuki (»Devil May Cry V«) mitgearbeitet hat. Mit einem einfachen Tastendruck kann Clive entweder zuschlagen, einfache Magie wirken oder die starken Fähigkeiten der Esper nutzen, die anschließend einen Cooldown haben. Ebenfalls ist es möglich, Angriffen auszuweichen oder mit einem Konter im richtigen Moment zu parieren. Dabei gilt es nicht nur, den Lebensbalken der Gegner zu verringern, sondern auch mit geschickten Aktionen die Haltung der Gegner zu brechen. Dadurch sind diese für kurze Zeit gelähmt und ihr könnt ordentlich Schaden austeilen. Insgesamt funktioniert das sehr flüssig, könnte für ein Action-Spiel allerdings auch gerne mehr Tiefgang vertragen. Während ihr bei Kämpfen gegen schwache Gegner coole Kombos rausrotzen könnt, indem ihr Schläge und Fertigkeiten verbindet, ist es in Bosskämpfen fast schon etwas zu leicht. Gerade bei großen Bossen fühlt es sich an, als hätten Schläge und Fertigkeiten gar keinen Einfluss und ihr haut einfach Ewigkeiten mit den limitierten Kombos drauf. Andere Square-Enix-Titel wie beispielsweise »Valkyrie Elysium« machen es da doch um einiges besser. So nimmt das sonst spaßige Kampfsystem im Laufe der Spielzeit leider zu viel Monotonie an und ihr kriegt lediglich alle paar Spielstunden eine Handvoll neuer Fähigkeiten. Am Ende ist es aber ein guter erster Schritt ins Action-Genre und lässt sich weitaus besser spielen als die hybriden Systeme von »Final Fantasy XV« und »Final Fantasy 7 Remake«.

FF16 05Mit dem Fokus auf Action musste allerdings ein Aspekt weichen, für den die Final-Fantasy-Reihe immer bekannt war: der des Rollenspiels. Zwar versucht »Final Fantasy XVI« auf Biegen und Brechen noch den Rollenspielflair reinzubekommen, aber er ist schlichtweg einfach nicht mehr da. Ihr könnt für Clive alle paar Story-Abschnitte neue Ausrüstung herstellen, die ein bisschen besser als die alte ist, aber Tiefgang gibt es hierbei nicht. Ähnlich sieht es bei den Fertigkeiten aus, die ihr freischalten und dann meistern könnt, wodurch sie einen zusätzlichen Effekt bekommen. Anders habt ihr allerdings keinen Einfluss auf Clives Charakterwerte. Das Nutzen von Items ist auch aufs Rudimentärste runtergebrochen und bietet kaum Variationen. Ein System mit verschiedenen Klassen und Spielstilen gibt es nicht. Es bleibt immer beim Selben: Ihr lasst Clives Schwert schwingen und nutzt die Fertigkeiten der Esper. Dies ist alles insgesamt kein Drama, doch Fans, die Final Fantasy wegen seiner Rollenspieltiefe spielen, sollten sich vor dem Spielen auf ein einfaches Action-Adventure einstellen.

 

So schön wie nie

FF16 07Grafisch gibt es keine Diskussion, denn »Final Fantasy XVI« sieht fantastisch aus. Jede Sequenz sitzt, die Charaktere sind wundervoll animiert und die Level-Designs sind abwechslungsreich. Die halbe Spielzeit werdet ihr damit verbringen, mit offenem Mund dazusitzen und zu staunen, wie schön die Welt von Valisthea aussieht. Auch die Kämpfe sind optisch eine Wucht. Vor allem Bossanimationen strotzen nur vor beeindruckenden Licht- und Schatteneffekten. Aber auch Emotionen innerhalb ruhigerer Momente sind hervorragend animiert – dadurch ist jede Spielunterbrechung durch eine Sequenz es wert. Die Charakter-Designs sind weniger fantastisch geraten und passen sich gut dem ernsten mittelalterlichen Ton der Handlung an. »Final Fantasy XVI« ist bei Weitem das schönste Spiel der Reihe.

Neben der Grafik ist auch der Sound von »Final Fantasy XVI« eine wahre Freude für die Ohren. Masayoshi Soken (»Final Fantasy XIV«, »Drakengard 3«) hat beim Soundtrack ganze Arbeit geleistet und lässt die Welt von Valisthea durch seine Kompositionen lebendig werden. Kämpfe wirken durch schnelle Melodien wuchtiger und die ersten Schritte in einem neuen Gebiet magisch. Das Sound-Design in Kämpfen und Sequenzen ist hier wahnsinnig gut geworden und reißt einen in die Geschichte mit rein. Auch die Synchronarbeit ist erste Klasse. In der deutschen Synchronisation steckt sehr viel Herzblut, aber die englischen Stimmen sind ebenfalls auf einem hohen Niveau. Das ist in japanischen Spielen seltener der Fall. Geschlagen werden diese Stimmen nur von der japanischen Synchronisation. Während gerade die deutsche Synchro etwas zu animeesk wirkt, sind die japanischen Stimmen komplett auf den Punkt und fangen die düstere Atmosphäre der Handlung perfekt ein. Es empfiehlt sich trotzdem, in alle Sprachen reinzuhören, um seine Lieblingsversion selbst zu entdecken.

FF16 07Einziger Kritikpunkt ist die Framerate. Wie leider bei vielen aktuellen Spielen üblich, habt ihr die Wahl zwischen besserer Grafik oder besserer Bildrate im Leistungsmodus. Im Grafikmodus sieht zwar alles schöner aus, dafür gehen aber maximal 30 Frames per Second. Im Normalfall greifen die meisten Gamer zum Leistungsmodus, da dieser bei schnelleren Spielen wichtiger ist. Technisch zwingt »Final Fantasy XVI« allerdings die PlayStation 5 in die Knie und die FPS schwanken im Leistungsmodus innerhalb von Sekunden zwischen 30 und 60 FPS hin und her. Das kann zu Motion Sickness führen. Für das geschulte Auge eines Gamers ist die 30-FPS-Begrenzung des Grafikmodus zwar nicht angenehm, aber erträglicher als das ständige Schwanken des Leistungsmodus. Hoffentlich ist dies ein Problem, was mit einem Patch beseitigt werden kann. Falls ihr »Final Fantasy XVI« in stabilen 60 FPS spielen wollt, müsst ihr leider darauf oder auf die PC-Version warten. Abseits vom Problem der Bildrate läuft das Spiel technisch stabil und es gab in meiner kompletten Spielzeit weder Bugs noch Abstürze.

 

Final Fantasy XVI: Mein Fazit

grüner Daumen»Final Fantasy XVI« ist ein großer und mutiger Schritt für das Franchise. Euch erwartet eine bombastische Inszenierung einer Geschichte, die brutal und konsequent erzählt wird und zu keiner Sekunde an Geschwindigkeit verliert. Das Spiel ist visuell ein Feuerwerk und präsentiert sich grafisch von der allerbesten Seite. Dazu kommt eine starke Soundkulisse, welche das Ganze noch untermalt. Das neue Action-Kampfsystem ist ausbaufähig, aber ein guter Anfang. Die größten Mankos an »Final Fantasy XVI« sind die technischen Probleme und die schwach geschriebenen Charaktere. Fans von Final Fantasy sollte klar sein, dass es sich hierbei um einen neuen Weg handelt, den die Reihe einschlägt. Es geht eben vom Rollenspiel- ins Action-Genre. Insgesamt bedeutet »Final Fantasy XVI« frischer Wind. Wenn die Richtung beibehalten und an den kleinen Problemen gearbeitet wird, können die nächsten Teile im besten Fall noch mehr überzeugen. Wenn ihr Lust auf ein knalliges Action-Adventure habt, seid ihr bei »Final Fantasy XVI« an der richtigen Adresse. Enthusiasten von Rollenspielen und klassischem Final Fantasy sollten aber lieber in die Demo reinschauen, bevor sie das Spiel nur wegen des Namens kaufen.

 

Plus Minus
  • herausragende Inszenierung
  • starke Synchronarbeit
  • schönes Charakter- und Monsterdesign
  • großartige Soundkulisse
  • technische Probleme bei der Bildwiederholfrequenz
  • schwach geschriebene Protagonisten

Rezensionsexemplar - Square Enix

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