Um auf den Punkt Zeit für ein Spiel bzw die typische Spielzeit bei Spielen einzugehen - ich bin der Meinung…
Ersteindruck – »Wer bist du zur blauen Stunde?« – ein Selbstfindungsweg?
Warum immer auf eine Review nach Abschluss der Serie warten, wenn man sich schon nach der ersten Episode beziehungsweise dem ersten Band einen Eindruck bilden kann? Da setzt Ersteindruck an und gibt schon einmal einen Ausblick darauf, ob es sich lohnt, dem Anime oder Manga eine Chance zu geben, oder nicht.
Titel: | Wer bist du zur blauen Stunde? |
Genre: |
Drama / Coming-of-Age |
Mangaka: | Yuhki Kamatani |
Release: | 2015 (JP) |
Bände: | in 4 Bänden abgeschlossen |
Verlag: | Carlsen Manga |
Preis: | 10 € pro Band |
(Basis für diesen Ersteindruck ist der erste Band. Parallel zur Veröffentlichung des Beitrags stellten wir euch in einem Gewinnspiel mit freundlicher Unterstützung von Carlsen Manga die Frage: Wie heißt der Ort, an dem sich Tasuku und all jene verletzte Seelen treffen?)
Vielleicht wisst ihr schon, dass es sich bei der blauen Stunde um ein natürliches Spektakel handelt? Nach dem Sonnenuntergang und vor Eintritt der nächtlichen Dunkelheit erstrahlt der Himmel für circa eine Stunde in einem tiefen Blau. Doch das Phänomen ist nicht nur in der Fotografie beliebt, auch Dichter und Schriftsteller fanden Gefallen daran und assoziierten es mit melancholischen Gefühlen. Wie melancholisch der Manga-Band zu »Wer bist du zur blauen Stunde?« ist, überprüfen wir jetzt.
(Zusammenfassung)
Nach einem Umzug in eine fremde Stadt findet Teenager Tasuku schlecht Anschluss in seiner neuen Schule. Als er damit aufgezogen wird, dass er ja schwul sei, kriegt er Angst, dass sein größtes Geheimnis aufgeflogen ist und es für ihn an der Schule noch schlimmer wird. Er sieht sich am Tiefpunkt seines Lebens, als Tasuku plötzlich eine Frau sieht, die aus dem Fenster eines Hauses springt! Geschockt rennt er zu dem Haus in der Nachbarschaft und findet dort einen für ihn magischen Ort wieder – die Lounge: die junge Frau – unverletzt – empfängt ihn und teilt ihm mit, dass sie ihn ja schon länger beobachtet. Er könne gerne zu ihrem Haus kommen, das wäre ein Treffpunkt verwandter Seelen …
Carlsen Manga
Gesellschaftlicher Druck realistisch erzählt
Aufgrund der Tatsache einen Boys-Love-Anime gesehen zu haben, wird Tasuku von seinen Klassenkameraden schikaniert. Dinge wie „Hab mir schon immer gedacht, dass du irgendwie tuntig rüberkommst“, „Ist das dein Ding oder wie?“ oder „Morgen, Schwuchtel!“ werden ihm kurz vor den Sommerferien an den Kopf geworfen. Da fast die ganze Schulklasse über ihn tuschelt oder ihm abschätzige Blicke zuwirft, ist es schwer für ihn, sich zu wehren. Auch sein Lehrer bringt es nicht fertig, das Mobbing zu stoppen. Mit der Aussage, dass es doch ganz egal ist, in wen man sich verliebt, wird sogar dem Lehrer vorgeworfen, homosexuell zu sein, der dies peinlich lächelnd abwinkt. Es wird gezeigt, wie schwer es für (angeblich) kompetente Personen ist, Mobbing zu stoppen und stattdessen effektiv und intelligent aufzuklären und Werte zu vermitteln.
Doch nicht nur in der Schule ist es schwer, mit der Meinung anderer umzugehen. Hinter den zwei Frauen Haruko und Saki, die nun schon seit 2 Jahren zusammen sind, liegt auch schon eine schwere Zeit. Haruko kündigte bei ihrem Arbeitgeber, da sie von diesem vorgeschrieben bekam, wann Frauen heiraten und Kinder kriegen sollen. Allgemein werden der gesellschaftliche Druck, die Erwartungen der Eltern und der Allgemeinheit an Heirat, Kinder kriegen und Liebe klar. Es gibt Leute wie Frau Jemand, die geschützte Orte schaffen, und Leute, die Homosexualität akzeptieren, aber es sich bisher einfach nicht in der eigenen Familie vorstellen konnten wie zum Beispiel Harukos Eltern.
Man folgt dabei Tasuku und beobachtet, wie er sich selbst findet. Seine Gefühle und Emotionen werden in dem Manga bildhaft und dadurch nachvollziehbar dargestellt. Als er beispielsweise die zärtlichen Gesten zwischen den zwei Frauen Haruko und Saki beobachtet und ihm klar wird, dass er dasselbe mit seinem Mitschüler tun möchte, zerbricht sein vorheriges Ich in tausende Scherben und er erträgt seinen jetzigen Anblick nicht mehr. Diese Bildebene ist tatsächlich so stark, dass man von einer Art magischem Realismus sprechen kann.
Die mysteriöse Frau Jemand – Einbildung oder Wirklichkeit?
Gleich zu Beginn des Bandes, als der Protagonist Tasuku am Geländer eines Abhangs steht und überlegt, seinem Leben ein Ende zu setzen, lernt er Frau Jemand kennen. Sterne, die auf magische Weise den Weg in sein Blickfeld finden, lenken ihn auf Frau Jemands Sprung aus dem Fenster der Lounge und halten ihn von seinen Selbstmordgedanken ab. Als Tasuku den Ort aufsucht, um nach ihr zu schauen, betritt sie unverletzt die Lounge und meint: „Wie ich sehe, bist du doch nicht gesprungen“. Dieser Satz macht Tasuku erst bewusst, was er da tatsächlich vorgehabt hat zu tun. Diese erste Begegnung mit ihr ist schon sehr ungewöhnlich, da sie seine Lage sofort erkennt und ihn auf den Boden der Tatsachen zurückholt.
Im Laufe des Bandes hat Frau Jemand immer wieder ihre Auftritte, in denen sie plötzlich hereinschneit und ebenso schnell verschwindet. Vor allem geschieht dies oft auf mysteriöse Weise. So springt sie nach einem Gespräch mit Tasuku von einem Aussichtsturm und gleitet von glitzernden Sternen umgeben herunter. Tasuku selbst glaubt, dies wäre ein Trugbild ausgelöst durch einen Schwindelanfall. Für mich hatte diese Szene etwas Magisches. Auch als sie ihn in ihr Bürozimmer lässt, damit er sich von der Last auf seinem Herzen freisprechen kann – was laut den anderen Besuchern der Lounge eher selten vorkommt –, verlässt sie den Raum sofort, nachdem sie mit ihrer Aufgabe fertig ist. Tasuku bleibt überrascht im Bürozimmer zurück. Bei ihr läuft alles nach einem für den Leser unbekannten Zeitplan ab. Ihren Spaziergang im Park macht sie regelmäßig genauso wie den Besuch beim Eisstand am Aussichtsturm.
Obwohl Frau Jemand nicht viel sagt oder mit den anderen Charakteren interagiert, trifft sie dennoch immer mit wenigen Sätzen den Nagel auf den Kopf. Dadurch bringt sie die Besucher der Lounge regelmäßig auf neue Sichtweisen. Sie ist wie eine Art magischer Lockvogel, der so unnahbar und faszinierend ist, und verbindet dadurch Menschen miteinander, die alle mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Ob sie wirklich existiert, bleibt für mich jedoch eine schwer zu beantwortende Frage.
Fazit:
Der Manga zeigt, wie schwer es ist, in einer Welt voller Erwartungen zu leben und seinen eigenen Weg zu finden und zu bestreiten. Als Vertreter des gestalterischen Leitbilds des magischen Realismus veranschaulicht er, dass es nicht nur schwarz und weiß, sondern auch viele Grautöne gibt. Mit magischen Elementen und mysteriösen Persönlichkeiten entsteht eine ganz besondere Tiefe, die die Emotionen und Gedanken Tasukus bildhaft verdeutlicht. Definitiv ein melancholisches Werk illustriert es die Hoffnungen und Ängste Tasukus.