Um auf den Punkt Zeit für ein Spiel bzw die typische Spielzeit bei Spielen einzugehen - ich bin der Meinung…
Angezockt – »Yurukill: The Calumniation Games« – Visual Novel aus der Feder des Kakegurui-Autors
Ein bunter Mischmasch aus Genres schadet nie und so versuchen sich IzanagiGames mit »Yurukill: The Calumniation Games« an einer ungewohnten Kombination. Ob dieses Experiment gelungen ist, wertet Phil für euch aus.
Titel: | Yurukill: The Calumniation Game |
Genre: | Visual Novel, Shoot ‚em up, Adventure |
Publisher: | IzanagiGames, Nippon Ichi Software |
Entwickler: | IzanagiGames, G.rev |
Release: | 8. Juli 2022 |
USK: | Ab 12 Jahren |
UVP: | 34,99 Euro |
Auf den ersten Blick wirkt es so, als hätten die Spieleentwickler von IzanagiGames dagesessen und überlegt, welche Genres wohl absolut nicht miteinander zu verbinden sind, um dann die Herausforderung anzunehmen, ebendiese miteinander zu verknüpfen. Dabei raus kam »Yurukill: The Calumniation Games«, eine Detektiv-Visual-Novel. Gepaart mit feinster Shoot-‚em-up-Action lässt diese einen in Erinnerungen an die grandiose Zero-Escape-Trilogie schwelgen, die mit ihren knackigen Escape-Room-Puzzles und ihrer komplexen Geschichte definitiv zu den Königen des Genres zählt. Ein Mix, welcher nur von Experten ihres Gebiets erschaffen werden konnte. Und so haben sich IzanagiGames nicht nur die Shoot-‚em-up-Spezialisten von G.rev ins Boot geholt, sondern für die Story auch Homura Kawamoto, welcher große Bekanntheit durch seinen Gambling-Manga »Kakegurui« erlangte. Da kann ja eigentlich nichts mehr schief gehen, oder doch?
Willkommen im Yurukill Land!
999 Jahre Haft, oder auch lebenslänglich, ist eine extrem harte Strafe, die nur den abscheulichsten aller Menschen zu Teil wird. Doch was ist, wenn man diese Strafe bekommt, aber eigentlich davon überzeugt ist, unschuldig zu sein? Dies erfährt unser Protagonist Sengoku Shunju. Dieser wird nämlich beschuldigt, einen ganzen Wohnblock in Brand gesetzt und dabei dutzende Leben auf dem Gewissen zu haben. Doch dieser erinnert sich nicht daran, jemals eine solche Tat begangen zu haben, und ist fest davon überzeugt, unschuldig zu sein. Eines Tages erwacht Sengoku nicht in seinem gewöhnlichen Gefängnisloch, sondern in einer fremden Zelle auf einem Passagierschiff. Dieses nimmt direkten Kurs auf Yurukill Land.
Dort angekommen stellt sich eine quirlige Dame im Kimono und mit Fuchsmaske als Binko vor und wünscht „bi-bi-tastischen Spaß“, wenn man sie anspricht. Neben ihr entdeckt Sengoku noch neun weitere Personen, die ihm selbst unbekannt scheinen. Binko erklärt daraufhin in völliger Ekstase, dass sie alle auserwählt wurden, um am sogenannten Yurukill Game teilzunehmen. Der Hauptpreis? Der Erlass der kompletten Gefängnisstrafe. Der Nachteil? Der eventuelle Tod! Denn beim Yurukill Game handelt es sich um eine Art Spielshow, die in dem dafür gebauten Vergnügungspark Yurukill Land stattfindet. Dabei werden die zehn Teilnehmer in Zweierteams eingeteilt und müssen so verschiedene Attraktionen des Parks besuchen, die Nachbildungen ihrer Tatorte sind. Doch diese Einteilung passiert alles andere als willkürlich. Denn wie sich schnell herausstellt, sind die Partner in den Teams nicht wirklich gleichgestellt. Während Sengoku als Verbrecher teilnimmt, ist seine Spielpartnerin Rina Azami eine Vollstreckerin. In dieser Rolle hat Rina die Macht, über Leben und Tod des Verbrechers Sengoku zu entscheiden. Dies scheint erst mal kein Problem für Sengoku zu sein, bis er erfährt, dass Rinas Familie in den Brand umkam, für den er verhaftet wurde. Sein Leben hängt nun an einem seidenen Faden.
Schuldig oder nicht schuldig?
Das wirklich Spannende an »Yurukill: The Calumniation Games« ist, dass ihr zwar Sengoku und Rina als vermeitliche Protagonisten habt, aber sich die Geschichte so weiterentwickelt, dass ihr jedes Verbrecher- und Vollstreckerpärchen kennenlernen dürft. Dadurch entfaltet sich die Erzählung rund um den Wettkampf im Yurukill Land und am Ende wird es euch umso schwerer fallen, nur einem Team den Sieg zu schenken. Aufregend ist, die verschiedenen Tatorte der Verbrecher zu beleuchten und zusammen mit den Vollstreckern herauszufinden, ob sie unschuldig sind oder nicht. Dabei öffnen sich die Charaktere immer mehr und zeigen eine beachtliche Tiefe, wodurch es so wirkt, als wären alle Teilnehmer des Yurukill Game eigentlich Hauptfiguren der Geschichte.
Insgesamt schafft es die Geschichte aus der Feder Nomura Kawamotos voll und ganz zu überzeugen. Während der knappen 12 Stunden Spielzeit, die für eine Visual Novel eher wenig sind, schafft es Yurukill den Spannungsbogen bis zum großen Finale aufrecht zu erhalten und jedes Kapitel lässt einen über den Ideenreichtum des Autors staunen. Jetzt mögen 12 Stunden für eine Visual Novel sehr kurz wirken, aber vielleicht liegt genau in dieser Kürze auch der Grund, warum Yurukill einen von Anfang bis Ende an den Bildschirm fesselt.
Nehmt die Lupe in die Hand
Für alle, denen die Geschichte noch nicht wild genug ist, haben wir jetzt den wirklich absurden Teil: das Gameplay. Denn, wie schon erwähnt, handelt es sich bei »Yurukill: The Calumniation Games« um einen Mix aus Visual Novel, Detektiv-Adventure und Shoot ‚em up.
Der Großteil der Kapitel im Spiel ist gleich aufgebaut. Ihr startet im Zug, der die Attraktionen des Yurukill Land miteinander verbindet, und erfahrt via Visual-Novel-typischer Standbilder, die Hintergrundgeschichte eurer Charaktere. Diese Dialoge sind zahlreich und wichtig, damit ihr auch wisst, worum es geht. Das Positive ist, dass sie sehr gut geschrieben sind und eine perfekte Balance zwischen ernsten und klamaukigen Themen finden. Danach sind eure detektivischen Fähigkeiten gefragt. Denn es gilt, mit dem Sammeln von Beweisstücken eure Unschuld zu beweisen. Dies ist nicht ganz so einfach, denn die verschiedenen Attraktionen sind übersäht von Rätseln, welche es für euch zu lösen gilt. In klassischer Manier der Zero-Escape-Reihe müsst ihr Zahlenschlösser, Schieberätsel und andere Puzzles knacken. Wenn diese mal zu schwierig sind, gibt es die Möglichkeit, von euren Vollstreckern Hilfestellungen zu bekommen. Dies wirkt sich in keiner Weise auf das Spielgeschehen aus und so könnt ihr auch die Geschichte erleben und genießen, selbst wenn euch die Denkaufgaben zu schwer sein sollten. Dies wird aber eher selten der Fall sein, denn die meisten Rätsel sind äußerst simpel gehalten.
Doch ob schwierig oder einfach, während der Rätsel habt ihr noch ganz andere Sorgen, denn die Dialoge mit euren Vollstreckern gehen weiter und je näher ihr der Wahrheit eurer vermeintlichen Verbrechen kommt, desto nervöser werden diese und manche Situationen eskalieren dann zu einer sogenannten Maji-Kill Time. In dieser müsst ihr euren Teampartner davon überzeugen, dass ihr unschuldig seid. Gelingt es euch nicht, besiegeln sie in ihrer Rolle als Vollstrecker euren sofortigen Tod. Mit euren bisher gesammelten Beweisen könnt ihr in diesem Augenblick dem Tod gerade noch so von der Schippe springen, oder eben nicht.
Back to life, back to Brain Reality
Habt ihr alle Rätsel gelöst und euren Vollstrecker beruhigt, geht es zum finalen Teil einer jeden Attraktion, das Yurukill Judgement. Sowohl ihr als Verbrecher als auch euer Vollstrecker ziehen nun einen Plugsuit à la Evangelion an und setzt euch jeweils in eine kapselartige Maschinerie. In diesem sogenannten Brain Reality System sitzt ihr in dem Cockpit eines Raumschiffs und ballert in Shoot-‚em-up-Manier etliche Horden gegnerischer Schiffe ab. Erreicht ihr das Ende eines Abschnitts, werdet ihr erneut mit eurem Vollstrecker konfrontiert. Nun heißt es für euch, mithilfe eurer gesammelten Beweise eure Unschuld zu beweisen. Gelingt dies nicht, werden euch Lebenspunkte abgezogen, von welchen ihr nur eine bestimmte Anzahl habt. Sind diese aufgebraucht, seid ihr Game over und müsst erneut mit dem Abschnitt starten. Lebenspunkte verliert ihr übrigens auch, wenn ihr Treffer abbekommt. Leben erhaltet ihr am Anfang der Brain-Reality-Sequenz, denn dort gibt es ein kleines Quiz über eure Verbrechen und euren Vollstrecker. Also passt immer gut auf, was euch in Dialogen mitgeteilt wird, da es euch buchstäblich das Leben kosten kann, wenn ihr es nicht tut.
Ihr habt jetzt Lust auf »Yurukill: The Calumniation Games« und die Story, aber Bammel, dass die Shoot-‚em-up-Passagen zu schwer sind? Kein Problem! Das Spiel bietet nämlich drei verschiedene Schwierigkeitsgrade und sowohl Liebhaber von Visual Novels als auch Shoot-‚em-up-Experten kommen auf ihre Kosten. Solltet ihr schon einige Shoot ‚em ups in eurem Leben durchgespielt haben, empfehlen wir dringlichst, den höchsten Schwierigkeitsgrad zu nehmen, da ihr sonst weit unterfordert sein werdet und das Spiel auf leicht und normal keine Herausforderung für euch darstellen wird. Apropos Herausforderung: Es gibt für euch auch die Möglichkeit, einen Ranglistenplatz einzunehmen. Habt ihr ein Kapitel abgeschlossen, ist der Shoot-‚em-up-Teil dieses Kapitels frei für euch zugänglich und ihr könnt darin auf Highscore-Jagd gehen und euch mit Menschen auf der ganzen Welt in Yurukill messen.
Insgesamt ist »Yurukill: The Calumniation Games« kein schwieriger Shoot-‚em-up-Titel, sondern vielmehr eine spannende Visual Novel, die Gameplay-technisch Abwechslung durch die Schlachten im Raumschiff bringt.
Bunt, bunter, Yurukill
Mit viel Stil und liebevollen Zeichnungen werden die Charaktere in »Yurukill: The Calumniation Games« zum Leben erweckt. Jeden Charakter ziert ein einzigartiger Stil und ist großartig detailliert dargestellt. Durch verschiedene Gesichtsausdrücke und sich bewegende Münder wirken die Zeichnungen außerdem direkt lebendiger. Dazu kommt, dass die Textboxen ebenfalls einen eigenen Stil bekommen haben und so alles aufwendiger und schöner wirkt, als wenn es nur einfache Standardboxen wären. Die Hintergründe wirken im Kontrast allerdings etwas lieblos gestaltet und ein bisschen mehr Detailverliebtheit, wie bei den Charakteren, wäre wünschenswert gewesen. Auch die Shoot-‚em-up-Abschnitte sind nicht sonderlich aufwendig, was das Leveldesign angeht. Zwar ist alles sehr bunt und farbenfroh durch die vielen Raumschiffe und deren Schüsse, aber das Einzige, was visuell wirklich überzeugt, sind die Designs der großen Endbosse, welche meist in riesigen Mecha angreifen. Außerdem scheint vor allem die Switch während dieser Abschnitte Leistungsschwankungen zu haben – ab und an kommt es zu Einbrüchen der Bildfrequenz. Dies passierte allerdings nicht zu oft und das Spiel war trotzdem weiterhin spielbar. Das wirkliche technische Manko sind die Ladezeiten auf der Switch, welche teilweise bis zu einer halben Minute andauern.
Zu schönen Bildern gehört auch gute Musik. Hier setzt »Yurukill: The Calumniation Games« auf einen breiten Mix aus diversen Musik-Genres. Während ihr bei der Spurensuche eher düstere und geheimnisvollere Musik habt, geht es beim Ballern im Raumschiff musikalisch richtig zur Sache. Die Songs sind nicht nur treibend bei euren actionreichen Manövern im Cockpit, sondern passen sich stilistisch auch an den Charakteren des Kapitels an.
Als Synchronisation bietet das Spiel zwar nur den japanischen Originalton an, dieser ist aber wirklich einsame Spitze. Alle Charaktere sind hervorragend synchronisiert und reißen einen mit, auch wenn man der Sprache nicht mächtig ist. Die Textübersetzung hat es nicht so gut erwischt. »Yurukill: The Calumniation Games« bietet zwar deutsche Bildschirmtexte, diese sind aber teils mit Fehlern gespickt oder betiteln Gegenstände und Spuren völlig falsch. Hier empfehlen wir, wenn möglich, auf die englische Textsprache zu wechseln.
Yurukill: The Calumniation Games: Mein Fazit
Alles in allem bietet »Yurukill: The Calumniation Games« genau das, was es verspricht. Einen Teil Visual Novel, einen Teil Detektiv-Adventure und einen Teil Shoot ‚em up. Jeder einzelne Teil hat seine Stärken und Schwächen, wobei die Stärken definitiv überwiegen. Trotz kleiner technischer Fehler ist es ein super Spiel geworden, was vermutlich eher die Visual-Novel-Fraktion abholen wird, als die der Shoot-‚em-up-Begeisterten. Trotzdem können auch Letztere ihren Spaß mit dem Titel haben, da »Yurukill: The Calumniation Games« eine wirklich spannende Geschichte über zehn sehr unterschiedliche Personen erzählt, welche sich ihrem Schicksal in einem tödlichen Vergnügungspark stellen müssen. So verbindet sich am Ende erfolgreich ein Genre, was von einer guten Story lebt, mit dem Nervenkitzel eines Shoot ‚em ups. Wer schon immer mal in eine Visuel Novel reinschnuppern wollte, findet mit »Yurukill: The Calumniation Games« einen guten Anfang, da das Spiel neben der geringen Spielzeit auch durch den Genre-Mix genug Abwechslung bietet. Am Ende ist »Yurukill: The Calumniation Games« wohl die überraschendste Visual Novel des Jahres und für Fans der Zero-Escape- oder Danganronpa-Reihe auf alle Fälle ein Pflichtkauf.
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