Ersteindruck – »Liz und der Blaue Vogel« – mehr eigenständiger Film als Spin-off (AnimagiC 2019)

Warum immer auf eine Review nach Abschluss der Serie warten, wenn man sich schon nach der ersten Episode beziehungsweise dem ersten Band einen Eindruck bilden kann? Da setzt Ersteindruck an und gibt schon einmal einen Ausblick darauf, ob es sich lohnt, dem Anime oder Manga eine Chance zu geben oder nicht.

Liz und der Blaue Vogel
Titel: Liz und der Blaue Vogel
Genre: Slice of Life, Drama
Studio: Kyoto Animation
Release: 2018
Länge: 1h 26min
Publisher: Universum Anime
Preis: 22,99 €

Warum mit einem Spin-off Zeit verbringen, wenn das große Finale der zwei Staffeln langen Geschichte um das Wiedererstarken des Schulorchesters der Kitauji-Oberschule ein ganz anderer Film erzählt? Die Antwort steckt im Prinzip schon im Titel – nicht »Sound! Euphonium: Liz und der Blaue Vogel«, sondern »Liz und der Blaue Vogel«. Der Distanz durch den Titel und damit von allen Assoziationen, die an der Blassmusik-Serie hängen, geht allerdings noch ein weiterer wichtiger Schritt voraus: Statt dem Regisseur der Serie Tatsuya Ishihara (»Clannad«) machte sich eine weitere Star-Regisseurin fernab des trubeligen Tokios ihre Gedanken: Naoko Yamada (»A Silent Voice«). Wie sich das auf den Film auswirkt, klären wir in unserem Ersteindruck.

(Zusammenfassung)

Mizore ist im letzten Jahr der Highschool und muss sich entscheiden, wie ihr weiterer Lebensweg aussehen soll. Seit der ersten Klasse hat sie sich immer an ihre Mitschülerin Nozomi gehalten, die sie auch dazu bewegt hat, dem Musikklub der Schule beizutreten. Gemeinsam studieren sie dort für einen Musikwettbewerb das Musikstück »Liz und der Blaue Vogel« ein, das auf einer Märchenvorlage beruht. Während der Proben erkennen die Freundinnen, dass sie nicht nur ihr Talent, sondern auch ihre Freundschaft unter Beweis stellen müssen und das Erwachsenwerden auch eine emotionale Reise ist …

Universum Anime

Plus Gut: Sind Filmorchester-Musiker Schauspieler

Liz und der Blaue Vogel - Frame 1Es ist ungewöhnlich, einen Soundtrack so nah an der Geschichte zu schreiben. Huscht Nozomi über den Gang, ist die Querflöte nicht weit. Wenn Mizore mit gesenktem Kopf zur Schule schlendert, hört man Oboen-Klänge. Sogar das Klackern der Schuhe in den ersten Minuten klopft dem Soundtrack den Takt – ein Beweis, welchen Stellenwert Musik im täglichen Leben der Mädchen hat. Bei so viel auditivem Storytelling braucht es nicht viele Dialoge. Zu der verschlossenen Mizore, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird, würde so etwas gar nicht passen. Ihr unsicheres Entlangtasten in Richtung des nächsten Schritts in ihrem Leben zeigen visuell Leg-Shots und diese kleinen Handgesten, die KyōAni so gerne animiert. Es bringt die nötige Ruhe in den Film, wodurch man sich voll und ganz auf den Soundtrack konzentrieren kann. Wenn man dann auf dem Höhepunkt des Films im Spiel der Instrumente das Zerreißen von Herzen zu hören meint, kann dieses Vertrauen in den Soundtrack und dessen Musiker gar nicht so falsch gewesen sein.

Mixed Unschlüssig: Kommunikationsprobleme statt Lampenfieber

Liz und der Blaue Vogel - Frame 2Nozomi mag es, der Mittelpunkt von Mizores Welt zu sein. Dies ändert sich, als die ruhige Mizore gegen Ende der Obschulzeit beginnt, auf eigenen Beinen zu stehen. Die beliebte Nozomi flüchtet sich in Girls‘ Talk, zu dem sie selten etwas Sinnvolles beizutragen hat. Sie spürt dieselbe Abhängigkeit, die Mizore all die Jahre verspürt hat. Es ist eine Geschichte um Stillstand, die auf diese Art und Weise in der ein oder anderen Serie exakt so schon behandelt wurde, und die Charaktere wirken im Vergleich zu KyōAnis anderen Werken etwas unterentwickelt. Auf den Gesamtfilm wirkt sich das aber gar nicht so negativ aus: Die Schwerpunkte sind nun einmal anders gesetzt und das Thema des Anknüpfens an lang zurückliegende Erfolge aus der Serie spielt quasi keine Rolle. Wie bei einem Gemälde ist gar nicht so wirklich offensichtlich, was die Botschaft ist. Ist es ein Happy End? Ihre Aussprache am Ende des Films mit zugrundeliegendem Versmaß gleicht dann fast schon einem Gedicht.

Minus Unschlüssig: Eine Rahmenhandlung als Ergänzung

Liz und der Blaue Vogel - Frame 3Liz ist ein netter und ehrgeiziger Mensch und lebt irgendwo in Deutschland abgeschieden vom Trubel der Stadt, aber eigentlich fühlt sie sich sehr einsam – die Tiere im Wald sind ihre engsten Vertrauten und ihre Freudentänze im langen Gewand wie eine Disney-Prinzessin nur Fassade. Die Parallelen zwischen dem Stück, welches vorsichtig Akt für Akt zwischen die Geschehnisse an der Oberschule gewebt wurde, und der realen Situation der Freundinnen sind Mizore und Nozomi schmerzhaft bewusst – trotz oder gerade wegen den tonalen Unterschieden: Animatorisch mit saturiertem Buntstift-und-Wasserfarben-Look erinnert die Märchenhandlung ganz anders als die computergestützten Animationen der Neuzeit, wie sie das Oberschulgelände verkörpert, an die frühen Werke der Hayao Miyazakis in den 1980ern. Alles steuert auf die finale Botschaft zu, die sicher nicht so klar ausfällt, wie man es sich zu Beginn des Films vielleicht erhofft hat, aber deshalb umso nachdenklicher stimmt: Wer von den beiden Mädchen ist jetzt Liz und wer der blaue Vogel?

Fazit:

In »Liz und der Blaue Vogel« gilt es für Fans von »Sound Euphonium!« und Musikliebhaber gleichermaßen eine Herangehensweise an Storytelling zu entdecken, die an die Zyklen und Suites des Barocks und der Klassik erinnert. Abseits von Kumiko & Reinas Aufsteigerstory umwickelt seine eigene Identität eine Moral wie aus einem Grimm-Märchen um einen blauen Vogel, der wegfliegt, um dem Mädchen seine Liebe zu beweisen, und dem Mädchen, die dem Vogel die Freiheit schenkt, obwohl es sie unglücklich macht.

»Liz und der Blaue Vogel« erscheint am 20. September 2019 bei Universum Anime für DVD und Blu-ray.

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