Um auf den Punkt Zeit für ein Spiel bzw die typische Spielzeit bei Spielen einzugehen - ich bin der Meinung…
Ersteindruck – »My Boy« – Was bedeutet es, normal zu sein? (Band 1)
Warum immer auf eine Review nach Abschluss der Serie warten, wenn man sich schon nach der ersten Episode beziehungsweise dem ersten Band einen Eindruck bilden kann? Da setzt Ersteindruck an und gibt schon einmal einen Ausblick darauf, ob es sich lohnt, dem Anime oder Manga eine Chance zu geben, oder nicht.
Titel: | My Boy |
Genre: | Slice of Life |
Mangaka: | Hitomi Takano |
Start: | Dezember 2015 (JP) |
Bände: | in 9 Bänden abgeschlossen |
Verlag: | Manga Cult |
Preis: | 10,00 € pro Band |
(Basis für diesen Ersteindruck ist der erste Band.)
Was machen wir aus unserem Leben, nachdem wir einen Job gefunden haben und in einer täglichen Routine leben? Genau dies fragt sich Protagonistin Satoko in »My Boy« von Zeichnerin Hitomi Takano (»Gene Bride«). Nachdem der Manga im Jahr 2017 für den »Manga Taishō Award« nominiert wurde und im Jahr 2020 mit dem neunten Band abgeschlossen wurde, hat sich Manga Cult die Lizenz geschnappt und veröffentlicht die Serie seit Oktober 2022 in Deutschland. Ob der Manga trotz fehlender Action oder Gefahren überzeugen kann, möchte ich mir heute anschauen.
(Zusammenfassung)
Die 30-jährige Satoko Tawada ist an einem absoluten Tiefpunkt angelangt: Ihr Leben langweilt sie, und noch dazu muss sie mit ihrem verhassten Ex-Freund zusammenarbeiten, der sie behandelt wie den letzten Dreck. Als sie jedoch eines Nachts auf den 12-jährigen Mashu trifft, der allein im Park Fußball spielt, scheint ihr Schicksal sich zu wenden. Beide spüren die Einsamkeit des jeweils anderen – und dass sie einander brauchen, um ihre verletzten Seelen zu heilen …
Manga Cult
Self-Insert für die Generation 30+
My Boy © 2015 by Hitomi Takano / KODANSHA |
Das Schönste an »My Boy« ist, dass die älteren Manga-Fans auch endlich mal eine »Self-Insert-Protagonistin« bekommen. Satoko kommt geradewegs aus einer gescheiterten Beziehung, hat einen sicheren, aber langweiligen Bürojob und abgesehen von ihrer Arbeit nicht wirklich viele Hobbys. Sie würde gerne ein Ziel im Leben finden, denn nach der Trennung von ihrem Ex-Freund fühlt sie nur noch Leere. Zudem hat sie das Gefühl, dass sie die einzige Person auf der Welt ist, der kein Glück zuteilwird: Andere Menschen haben glückliche Beziehungen, gehen mit ihren Freunden feiern oder verfolgen andere Pläne. Ich konnte mich in ihr direkt wiederfinden und denke, viele Personen aus meiner Generation fragen sich häufig, was eigentlich das Ziel des Lebens ist. Mangaka Takano schafft es, diese Planlosigkeit exzellent durch Einblicke in Satokos Gedanken darzustellen. Diese sind dabei nicht einseitig, sondern sehr vielschichtig aufgezeigt.
Ein Beispiel dafür findet man im ersten Band, nachdem Satoko sich mit ihrem Ex-Freund und seiner neuen Lebensgefährtin zum Essen getroffen hat. Am nächsten Tag begegnen sich die beiden Ex-Geliebten wieder im Büro. Nach Austausch einiger witziger Plattitüden verzieht Satoko sich aufs Klo und zeigt deutlich, wie angespannt die Situation für sie eben war. Auch wenn es ihr wichtig ist, in dieser Lage stark und unverletzbar zu wirken, gelingt es ihr nur bedingt. Situationen wie diese zeigen, dass Mangaka Takano nicht nur die positiven, sondern auch die unangenehmen Momente des Lebens thematisieren möchte, die wir alle täglich erleben. Die Darstellung in »My Boy« hilft dabei zu verstehen, dass wahrscheinlich jeder Mensch mit diesen Problemen zu kämpfen hat.
»Ich möchte einfach von jemandem gelobt und unterstützt werden«
My Boy © 2015 by Hitomi Takano / KODANSHA |
Zu Beginn des ersten Kapitels trifft Satoko den Schüler Mashu. Dieser übt täglich alleine das Jonglieren mit einem Fußball. Nachdem Satoko ihn vor einem mutmaßlichen Entführer rettet, lernen die beiden sich kennen und Satoko realisiert schnell, dass Mashu viele ihrer Gefühle nachvollziehen kann. Er lebt gemeinsam mit seinem Vater, der kein Interesse an ihm hat und ihn selbst sowie seine Hobbys nicht unterstützt. Satoko beginnt, sich für den Jungen zu interessieren, hilft ihm beim Fußballtraining und fährt ihn sogar zum Spiel. Zu Beginn dachte ich, dass dies eine sehr einseitige Beziehung sei und sie sich nur nähert, um nett zu wirken. Die Interaktionen der beiden zeigen aber, dass dies nicht der Fall ist: Nicht nur Mashu benötigt jemanden, der ihn unterstützt, auch Satoko selbst benötigt menschliche Nähe, Lob und Geborgenheit, denn sie hat nicht einmal eine Person, die mit ihr gemeinsam ein neues Sushi-Restaurant ausprobieren würde. Als Mashu sie dann begleitet, geht ein Traum für sie in Erfüllung.
Auf diese Art unterstützen sich beide Charaktere im Laufe der Geschichte gegenseitig und schaffen es, sich teilweise aus ihren negativen Gedanken herauszuziehen. Trotzdem habe ich mir die Frage gestellt, ob Satoko den Schüler nicht etwa doch nur ausnutzt, um ihre eigenen Probleme zu vergessen. Hier muss der Manga in späteren Bänden noch weitere Anhaltspunkte liefern, die zeigen, inwieweit Mashu auch Satoko unterstützt. Dabei hoffe ich, dass sie ihre eigenen Probleme durch die Beziehung noch etwas besser reflektieren kann, um im Endeffekt ein Ziel im Leben zu finden, welches nicht nur aus »Ich helfe einem Jungen« besteht. Inwieweit das in den nächsten acht Bänden passiert, darüber kann ich bisher nur spekulieren.
Was ist Normalität?
My Boy © 2015 by Hitomi Takano / KODANSHA |
Die Frage, was es bedeutet, normal zu sein, habe ich mir schon sehr häufig gestellt. Auch Soziolog:innen stellen sich diese Frage schon seit vielen Jahrzehnten. Dabei stellte man fest, dass Normalität immer im Zusammenhang mit den Erwartungen anderer Personen steht. Speziell Mashu fragt sich im Laufe des ersten Bandes immer wieder, was es bedeutet “normal” zu sein oder normal zu handeln. Auch seine Mitschülerin Nao, die nicht so wirklich von den anderen ihrer Klasse als eine Freundin akzeptiert wird, stellt sich genau diese Frage. Beide Personen sehen die “Normalität” immer mit den Augen anderer Personen. Das Verhalten derer, zu denen sie selbst gerne dazugehören möchten, ist die Normalität, die sie sich wünschen. Sie sehen sich selbst hingegen als Außenseiter:innen.
Durch seine Interaktionen mit Satoko hat Mashu gelernt, wie schön es sein kann und wie wichtig es ist, mit anderen Personen zu kommunizieren und nett zueinander zu sein. Für Mashu selbst war diese Nettigkeit nie ein Teil seiner Normalität, da er sie von seinem Zuhause nicht mitbekommen hat – von seinem Vater hat er diese positive Zuneigung nie erfahren.
Dieses Erlebnis bringt ihn gegen Ende des ersten Bandes dazu, auch gegenüber seiner Mitschülerin Nao nett zu sein. Diese ist ihm daraufhin unendlich dankbar. In dieser Szene wurde mir klar, dass Mangaka Takano mit ihrem Werk ein klares Statement setzen möchte: Es ist nicht wichtig, sich anzupassen und seinen eigenen Charakter zu verstecken. Solange man nett zu seinen Mitmenschen ist, werden diese erkennen, dass es nicht wichtig ist, inwieweit man sich in den Interessen und Charaktereigenschaften von ihnen unterscheidet. Man sollte sich selbst akzeptieren!
Fazit:
»My Boy« war mir vor der deutschen Veröffentlichung kein Begriff und hat mich gerade deshalb positiv überrascht. Anstatt überdramatische Beziehungen darzustellen oder utopische Konflikte zu kreieren, zeigt der Manga realistische Gefühle. Diese haben mich beim Lesen weitaus stärker berührt, als große Konflikte aus anderen Serien, weil es Gefühle sind, die ich selbst kenne.
Ältere deutsche Fans sollten dem Manga unbedingt eine Chance geben. Falls die Geschichte es in Zukunft noch ein bisschen besser schafft, Satokos Gefühlswelt durch den Umgang mit unterschiedlichen Menschen darzustellen, könnte »My Boy« einer der größten Geheimtipps des Jahres werden.