Ersteindruck – »Burn the Witch« – Shōnen-Manga versus Märchen-Geschichten

Warum immer auf eine Review nach Abschluss der Serie warten, wenn man sich schon nach der ersten Episode beziehungsweise dem ersten Band einen Eindruck bilden kann? Da setzt Ersteindruck an und gibt schon einmal einen Ausblick darauf, ob es sich lohnt, dem Anime oder Manga eine Chance zu geben, oder nicht.

Burn the Witch - Band 1
Titel: Burn the Witch
Genre: Action, Fantasy
Mangaka: Tite Kubo
Release: August 2020 (JP)
Bände: aktuell 1 in Japan
Verlag: Tokyopop
Preis: 7,50 € pro Band

(Basis für diesen Ersteindruck ist der erste Band. Parallel zur Veröffentlichung des Beitrags verlosten wir in einem Gewinnspiel mit freundlicher Unterstützung von Tokyopop ein Exemplar des Manga.)

Wer mich bereits eine Weile kennt, wird wissen, dass es nicht viele Shōnen-Manga gibt, für die ich ein gutes Wort übrighabe. »Burn the Witch« ist anders. Im Juli 2018 als One-Shot ins Leben gerufen, trugen 4 brandneue Kapitel und ein Animefilm dazu bei, dass in der zweiten Jahreshälfte 2020 kurzzeitig alle Welt über den Titel redete. Danach war es wieder still um den Action-Fantasy-Manga. Das ist schade! Während ich denke, dass die angekündigte Fortsetzung sicher seine Die-Hard-Fans finden wird, habe ich irgendwie das Gefühl, dass »Burn the Witch« als Titel – im Gegensatz zu den meisten anderen Long-Running-Shōnen da draußen – noch lange nicht ausdiskutiert ist. Dimbula wagt einen Anfang.

(Zusammenfassung)

Seit jeher wird angenommen, Drachen seien fiktive Lebewesen. Doch sie sind real – genau wie die Todesfälle in London, für die sie verantwortlich sind. Die gewöhnliche Bevölkerung weiß jedoch nichts von ihrer Existenz, denn lediglich die Bewohner von »Reverse London« sind imstande, sie zu sehen. Dort, in der Stadt auf der Kehrseite Londons, arbeiten die beiden Hexen Ninny und Noel für »Wing Bind«, einer Behörde, die sich dem Schutz und der Kontrolle von Drachen verschrieben hat. Doch den meisten Ärger haben sie mit ihrem Schützling Balgo: Einem Jungen, der Schwierigkeiten magisch anzuziehen scheint und die beiden gehörig auf Trab hält!

Tokyopop

Mixed World Building im Eiltempo

Burn the Witch - Scan 1

Sieben gefährliche Märchendrachen, acht Abteilungen in einer Behörde, die sich um den Schutz und die Aufsicht von Drachen kümmert: Für wen das jetzt nach den 13 Schutzeinheiten der Soul Society und den 10 Espada-Kämpfern in Sōsuke Aizens Hollow-Armee klingt, liegt wahrscheinlich gar nicht so daneben. Tite Kubo baut die Welt in »Burn the Witch« nämlich so ähnlich auf wie noch vor 20 Jahren die Welt von »Bleach« … nur eben schneller. Das ist eine große Stärke des Werks, den wir wissen im Prinzip, was wir bekommen: einen Einblick in die einzelnen Abteilungen von Wing Bind inklusive internen Auseinandersetzungen sowie hin und wieder Konfrontationen mit den besonders starken Märchendrachen.

»Burn the Witch« fehlt jedoch derselbe Schwung, der damals dafür sorgte, dass ich mich durch die Dutzenden Filler-Episoden und stundenlangen Kämpfe quälte, nachdem man die Reihe immer wieder um weitere Konzepte ergänzte, bevor ich »Bleach« schlussendlich kurz vor dem Finale abbrach. »Burn the Witch« kränkelt für mich weniger an der Masse an Konzepten als an der durchgängigen Umsetzung. Im Prinzip stellt der Manga die These auf, dass Shōnen-Manga und Märchen komplett gegensätzliche Erzählformen sind. Während Protagonisten in Shōnen-Manga wie die hitzköpfigen Ninny Spangcole das Maximale aus der ihnen gegebenen Kraft herausholen, wundert sich ihre Freundin Macy, weshalb der an das Cinderella-Märchen angelehnte Märchendrache Elly – und somit ihr geliehenes Selbstvertrauen – sie zum ungünstigsten Zeitpunkt fallen lässt. Das macht Sinn – jedoch erst, als Ninny es gegen Ende des Bands erklärt.

Das One-Shot-Kapitel macht einiges anders. Versteht mich nicht falsch, Kapitel 0 hat seine ganz eigenen Probleme: Gleich vier Mal wird auf 62 Seiten derselbe abgedroschene Höschen-Gag gemacht, als wäre es das Einzige, woran der wehrlose Balgo selbst in einer lebensbedrohlichen Auseinandersetzung mit einem Dark Dragon denken kann. Das Gezanke zwischen Ninny und Noel auf der anderen Seite hat durch die Bank etwas von japanischer Bühnen-Sketch-Comedy. Ninny spielt beispielsweise immer wieder darauf an, dass sich Noel als Londonerin wie eine Pseodojapanerin verhält. Diese Art von Interaktionen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Nebengeschichte, die Band 1 beigefügt ist. Gerade deswegen hätte ich mich gefreut, wenn man ähnlich konsequent die Mini-Reihe geplant hätte.

Mixed Design ist ein dehnbarer Begriff

Burn the Witch - Scan 2

Drachen ist ein Sammelbegriff für jene Anomalien, die für die Bewohner von Front London unkontrollierbar sind. Dieser Satz fällt schon recht früh in »Burn the Witch« und ja, Anomalien beschreibt den designerischen Ansatz sehr gut. Ein wenig wie in »Made in Abyss« stechen die Drachen durch ihre simple, einfarbige Darstellung wie Fremdkörper aus den Panels hervor – Wesen, die für die Bewohner Front Londons sowieso gar nicht existieren.

Die Charakterdesigns haben ebenso ein Level an Detail, das es ermöglicht, eine ganze Bandbreite an Emotionen darzustellen. Selbst die kühle Noel Niihashi wirkt mit ihrem nüchternen Gesichtsausdruck (und ihren langen Wimpern) wie eine nahe Verwandte von Akira Tachibana aus »After the Rain«. Geht es ernster zu, wird eine graue Rasterfolie über das Gesicht gelegt. All das sind Entscheidungen, die deutlich machen, dass der Mangaka nicht erst seit gestern Manga zeichnet.

Dennoch: Obwohl Tite Kubo in seinem Nachwort schreibt, er könne den Manga in seinem eigenen Tempo zeichnen, heißt das nicht, dass »Burn the Witch« sich zeichnerisch besonders hervortut. Gerade kleinen Panels sieht man zum Teil an, dass sie nicht vorgezeichnet wurden und man stattdessen direkt mit Tusche arbeitete. Fähigkeiten wie Brunos Graffiti-Magie unterscheiden sich außerdem zu wenig von dem Design der Soundeffekte, was mich zumindest aus der Immersion rausreißt.

Fazit:

»Burn the Witch« ist ein Manga, der mit seinem flotten World Building und Parallelen im Aufbau gerade Fans von »Bleach« gefallen dürfte. Dadurch wirkt er zwar vorhersehbar und stellenweise etwas gezwungen, das wird jedoch weitestgehend von einigen cleveren Entscheidungen im Art Design wettgemacht.

Rezensionsexemplar - Tokyopop

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