Angezockt – Zero Time Dilemma bringt mich geistig an mein Limit

Wenn Anime-Fans nicht Anime schauen oder Manga lesen, tun sie was? Richtig, vermutlich zocken und darum geht es hier: Wir schnappen uns ein aktuelles Game und schreiben unsere Gedanken dazu nieder, um am Ende die Frage beantworten zu können, ob sich ein Kauf denn jetzt lohnt.

Phi steckt in einer Müll-Verbrennungsanlage fest. Die beiden anderen, Diana und Sigma, suchen nach einem Weg, sie zu befreien. Etwas, was wie ein Schlüsselloch aussieht, stellt das Trio jedoch vor eine harte Entscheidung. Denn um das Entriegeln zu ermöglichen, findet sich Sigma kurzerhand in Handschellen an einem Stuhl gebunden wieder und der Revolver, dessen Mündung in das Schlüsselloch passte, zielt nach vorherigem Umdrehen direkt auf Sigmas Kopf. Nun meldet sich Bösewicht Zero auf einem Monitor zu Wort: In dem Revolver sind drei Kugeln – drei Kammern sind leer. Wenn Diana nicht schießt, wird Phi geröstet. Du entscheidest. Das ist Zero Time Dilemma.

 

Life is simply unfair, don’t you think?

zerotimedilema_1Eigentlich ist die Ausgangslage recht simpel: Im Glauben an einem Projekt zur Bevölkerung des Mars teilzunehmen, finden sich neun Personen aufgeteilt in Dreierteams in dem tödlichen Decision Game des maskierten Psychopathen Zero wieder. Wenn sechs sterben, dürfen die anderen drei Spieler gehen. Natürlich ist für die Teilnehmer das gegenseitige Umbringen keine Option. In meinen 20 Stunden, die ich mit der interaktiven Visual Novel verbrachte, drückten sich immer wieder pseudowissenschaftlich-philosophische Theorien wie Shifter, Mind Hacker und morphogenetische Felder in den Vordergrund. Keine Frage: Zero Time Dilemma schafft es sowohl ein eigenständiges, blutiges Zeitreise-Abenteuer mit Anspruch und vielen Twists zu erzählen, als auch die losen Enden seiner Vorgänger in einen Kontext zu setzen. Vorgänger? Richtig. Zeitlich zwischen Nine Hours, Nine Persons, Nine Doors und Virtue’s Last Reward ansetzend werden Neueinsteiger zwar nicht unbedingt bemerken, dass sie gerade den letzten Teil einer Trilogie spielen, ganz nebenbei plaudern die Charaktere in Gesprächen dennoch die wichtigsten Geschehnisse der Vorgänger aus.

 

Eine Sackgasse ist noch lange nicht das Ende

zero_escape_zero_time_dilemma_pc_diana4_by_danytatu-da8km43Wer ist Zero? Wie gelangte das Radical-6-Virus in die Außenwelt? Welchen Zweck hat das Decision Game? Verabschiedet euch von dem Gedanken, dass ein Game Over bedeutet, einen Fehler gemacht zu haben. Denn Zero Time Dilemma treibt anachronologische Erzählweise auf die Spitze. Man startet ein Fragment, sucht einen Weg aus dem Raum, indem man eingesperrt ist, trifft eine Entscheidung und schaut sich anschließend an, wie sich diese auf die Handlung auswirkt – und das alles in etwa 30 Minuten. Narrativ macht das Sinn. Schließlich schläfert ein Neurotoxin im Inneren der Zwangsarmbänder, die die Charaktere tragen, am Ende eines Abschnitts ein und löscht ihre Erinnerungen. Das wirkt am Anfang befremdlich, fesselt aber ungemein, sobald man beginnt die subtilen Hinweise in den Dialogen und die immense Hintergrundgeschichte zu verstehen. Über das Flow Chart springt man an beliebige Zeitpunkte und zwischen verschiedenen Zeitlinien hin und her, um seine Entscheidungen zu korrigieren und weitere Teile der Geschichte und eventuell neue Fragmente freizulegen. Manchmal braucht es auch Informationen aus einer anderen Zeitlinie, um voranzukommen, die nicht selten Ereignisse aus dem Spiel oder seinen Vorgängern in einem völlig anderen Licht dastehen lässt.

 

Außen hui, Innen pfui

Zero-Time-Dilemma-3-1100x600Matheaufgaben, Logikrätsel, Puzzle: Neben dem Entdecken einer neuen Zeitlinie ist nichts belohnender, als mit dem Tod im Nacken aus einem der Rätselräume zu entkommen. Sie sind knackig, beschäftigen lange genug und in der Regel nicht unfair. Irgendwie tragen sie in Verbindung mit der Umgebung auch zur Spannung bei. Dann aber folgt auf ein gelöstes Schieberätsel einfach das Nächstschwierigere oder es lenken vage Hinweise der Mitfestsitzenden von der eigentlichen Lösung ab. Manchmal klickt man sich auf der Suche nach dem entscheidenden Hinweis auch einfach wild durch die Räume. Viel mehr Zeit verbringt der Spieler dann aber sowieso mit dem Sehen vollständig vertonter Zwischensequenzen. Bye-bye endlose Textpassagen. Das Feuerwerk an Cutscenes ist allerdings nicht ohne Schwächen: Zwar sind die Kameraperspektiven stimmig, Herr über die eigene Mimik sind die Charaktere allerdings nicht und synchrone Lippenbewegungen ein Fremdwort.

 

Fazit

Trotz technischer Macken ist Zero Time Dilemma das düstere, packende Finale, das die Reihe verdient. Weniger wegen seinen Puzzles, die über die Jahre in den Hintergrund traten, als wegen seiner großartigen Charaktere und ihren Momenten kann man den Titel nicht nur unterwegs auspacken. Tatsächlich hat mich die vollständig animierte Scifi-Geschichte nur so an den Monitor gefesselt – trotz oder gerade wegen seinen blutigen Szenen und den noch grausameren Entscheidungen.

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