Manga-Review: Lost Ctrl

Lost Control - Cover(Quelle: Carlsen Manga)
Titel: Lost Ctrl
Genre: Sci-Fi / Thriller
Mangaka: Evelyne Park
Release: 2014
Bände: 2 à 196 Seiten
Verlag: Carlsen Manga
Preis: 6,95 € pro Band

Lost Ctrl ist Evelyne Parks zweites Werk beim Carlsen-Verlag. Doch im Gegensatz zu ihrem mittelalterlichen ersten Manga „Feed me Poison“ verschlägt uns der zweiter Manga der gebürtige Schweizerin in der Zukunft. In wie weit dieser mit der japanischen Konkurrenz mithalten kann, schauen wir uns im Folgenden mal genauer an.

(Zusammenfassung)
100 Jahre vor der eigentlichen Geschichte meldet sich Scarlett freiwillig für die „Operation Roboter“, bei der technische Implantate und ihr Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Menschen getestet werden. Kurz darauf trifft sie auf Nium, dem größten Gegner der Technisierung und dem letzten verbliebenen Autor in einer Welt, in der das Lesen unter Strafe steht. Sie verliebt sich in ihn und heuert als sein Bodyguard bei den Rebellen an. Das Problem an der Sache ist, dass man heimlich einen Ortungschip in ihrem Herzen versteckt hat, der sie kurzum zum Spion des Staatsapparats macht, der Ortungschips für alle obligatorisch machen will. Es kommt, wie es kommen musste: Die Rebellen werden enttarnt und müssen untertauchen.

So auch Scarlett und Nium, die in einer Zeitkapsel die nächsten 10 Jahre verschlafen sollen, um anschließend sobald sich die Wogen geglättet haben und Scarlett auch nicht mehr geortet werden kann die Rebellion erneut aufzubauen. Die Sache geht jedoch schief und Scarlett erwacht alleine 100 Jahre in der Zukunft, in der sie mit der Rebellengruppe, die nur noch aus 4 Personen besteht, einen scheinbar hoffnungslosen Kampf gegen die dortige Zwangsvernetzung aller über Chips und Empfänger in Gehirn und Nervensystem führen soll. Wird Scarlett über den Verlust Niums hinwegkommen können und kann sie der Rebellion überhaupt eine Hilfe sein?

Handlung

Lost Ctrl musste ich tatsächlich zweimal lesen, um überhaupt zu verstehen, was es mir sagen will. Ich muss zugeben, dass dies auch daran lag, dass man hier wieder von links nach rechts liest wie in den meisten deutschen Manga, aber der eigentliche Grund war der schon recht interessante Leitgedanke. Denn wo es sonst darum geht, dass die Roboter immer menschlicher werden, geht es hier darum, dass die Menschen immer robotischer werden. Dieser Leitgedanke hat für das Storytelling in Lost Ctrl weitreichende Folgen. Ähnlich wie zum Beispiel im Anime ChäoS;Head wird so nämlich fast ausschließlich Spannung über das Innenleben der Charaktere erzeugt. Dass Evelyne Park diesen Schritt gegangen ist, liegt womöglich daran, dass sie, wie sie selbst sagt, nur sehr ungerne Actionszenen zeichnet. Konkret zeigt sich das daran, dass Scarlett die meiste Zeit mit dem Verlust ihres Geliebten und dem Gefühl der Nutzlosigkeit kämpft. Ein wirkliches Gefühl der Bedrohung kommt dadurch nicht auf, wohl auch aufgrund des sehr vagen Feindbilds dieses Manga. In den wenigen Szenen, wo die Rebellen wirklich Angriffe auf das staatliche Kontrollnetzwerk ausüben, findet man nur leere, ungesicherte Räume vor. Klar, das Regime ist übermächtig und kontrolliert alle Gedanken, aber sonderlich atmosphärisch ist das nicht. Insgesamt nimmt sich die Mangaka jedoch viel Zeit, um nachvollziehbar deutlich zu machen, womit die Zwangstechnisierungs-Gegner sowohl in der Gegenwart als auch in der Zukunft zu kämpfen haben und wie die totale Überwachung dahinter funktioniert.

Charaktere

Insgesamt wurde sich sehr viel Mühe mit den Charakteren in Lost Ctrl gegeben. So ist jedes Mitglied der Rebellengruppe auf seine ganz eigene Art für die Rebellion nützlich und hat auch so seine ganz eigenen Motivationen. Genauso muss sich jedes Mitglied aber auch mit ganz eigenen inneren Konflikte auseinandersetzen. Die Protagonistin Scarlett ist dabei wohl noch am bodenständigsten. Ihr Wunsch ist es, wie eine Maschine zu sein, um über Nium und all den Schmerz, den sie erfahren hat, hinwegzukommen, womit sie sich zwischenzeitlich selbst zum Außenseiter der Gruppe macht. Ein ähnliches Problem hat auch Tristan, ein Nachfahre des Wissenschaftlers, der Scarlett die Zeitreise ermöglicht hat. Er pflegt die Büchersammlung seiner Familie in der fünften Generation und weiß nicht so wirklich, wie er der Rebellion behilflich sein kann. Meine Lieblingscharaktere sind allerdings Jeckyll und Virus. Jeckyll ist bei den Rebellen die Tüftlerin und bastelt gerne an den technischen Modifikationen der anderen Mitglieder herum. Virus auf der anderen Seite blockt die gesamten Gedanken der Crew mitsamt ihrem Aufenthaltsort und ersetzt sie durch unauffällige Gedanken, damit niemand im System Verdacht schöpft. Butler hingegen hat zwar bewusst keine große Hintergrundgeschichte, lockert die Stimmung allerdings mit einer Prise Slapstick-Humor immer wieder auf. Zusätzlich dient er der Rebellion, indem er das Netz nach Gleichgesinnten durchsucht. Auf der anderen Seite kommt Lost Ctrl ohne viele Hintergrundcharaktere aus, was zumindest das Gefühl des Alleinseins der Hauptcharakterin weiter unterstützt.

Zeichenstil

Der letzte Punkt in dieser Review, auf den ich eingehen will, ist Evelyne Parks Zeichenstil. Tja, was soll ich dazu sagen? Der Zeichenstil der studierten wissenschaftlichen Illustratorin überzeugt irgendwie nicht so wirklich. Während der Einband und die jeweiligen vier Farbseiten in einem schönen freundlichen und pastellfarbenen Look rüberkommen, sind die übrigen Seiten meist recht detailarm. Insbesondere fällt dies bei den Hintergründen auf, die meist komplett weiß sind oder nur wenige andere Objekte verinnerlichen. Verteidigend muss man jedoch an dieser Stelle erwähnen, dass die detailarmen Hintergründe die sehr auf das Innere der Figuren fokussierte Handlung eigentlich noch mal unterstreicht. Eine Ausnahme bildet auch hier das Einleitungskapitel des ersten Bandes. Dieses spielt wie gesagt in der Gegenwart, wo sich Scarlett noch dem physischen Kampf gegen die Staatsgewalt liefert. Apropos Scarlett, im Gegensatz zu den fernöstlichen Autoren sind die Charaktere bei Lost Ctrl realistischer gezeichnet und weniger überzogen, was allgemein an den Proportionen und besonders den Augen deutlich wird. Ansonsten kann man sagen, dass der Manga so an sich einen schön futuristischen Stil hat, der sich sehr oft der typischen Würfelform für beispielsweise Gebäude oder technische Gerätschaften bedient. Wirklich störend ist dabei jedoch für den ein oder anderen sicher der starke Einsatz von Rasterfolie.

Fazit

Handlung: Charaktere: Zeichenstil: Gesamt:
6 / 10 7 / 10 5 / 10 59 / 100

Lost Ctrl kann mit seiner modernen, dystopischen Handlung und seinen greifbaren Charakteren sicher bei dem ein oder anderen Gefallen finden, vor allem Action-Fans sollten sich allerdings genau überlegen, ob dieser Manga etwas für sie ist. Leichte Kost ist das Ganze dadurch trotzdem nicht, denn man muss sich schon auf den Manga einlassen. Die deutsche Leserichtung und die vielen Gespräche mittels Gedankenkommunikation machen es einem nicht einfacher, da der Gesprächspartner selten physisch anwesend ist. Abstriche müssen auch hier und da zeichnerisch gemacht werden, weshalb jeder, der einen Detailgrad à la Oku Hiroya (Gantz, Inu Yashiki) erwartet, mit den vier pastellfarbenen Farbseiten auskommen muss.

Lost Control - Cover Lost Control - Cover
  • interessanter Ansatz für eine Dystopie
  • nette Kombination an Charakteren
  • fehlende Bedrohung / Gegner
  • detailarme Zeichnungen / Hintergründe

Ähnlich: ChäoS;HEAd (Anime) + Sonnensturm (Manga)

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