Animefilm-Review: Your Name – Ein Schlussstrich unter der Miyazaki-Ära?

Your Name. - Cover(Quelle: MAL)
Titel: Your Name.
Genre: Drama / Romanze
Studio: Comix Wave Films
Release: 2016
Länge: 1h 46min
Publisher: Universum
Preis: 24,99 € (BD)

Im Vorfeld als Anime-Film mit dem höchsten Einspielergebnis an den Kinokassen weltweit angepriesen startete »Your Name« am 11. Januar und 14. Januar lediglich an zwei Tagen auch in Deutschland und Österreich – schaffte es sogar in die Tagesthemen. Allein am Donnerstag, 11. Januar, katapultierte sich Your Name auf den dritten Platz der Kinocharts mit 20.000 Besuchern direkt hinter »Star Wars: Die letzten Jedi« und »The Commuter« – bislang setzte »Sword Art Online: Ordinal Scale« mit 18.000 Besuchern und Platz 9 am Premiere-Wochenende die Messlatte.

Klar, dass Zusatzvorstellungen folgen werden. Seit seiner Premiere im August 2016 ist aber nun von »Your Name« die Rede als sofortiger Klassiker neben Werken wie »Prinzessin Mononoke« und »Chihiros Reise ins Zauberland« und viele begeisterte Fans schauten ihn bereits mehrfach. Es sei ein Film, der das Aufmerksamkeitsmonopol von Studio Ghibli für Anime-Filme in der westlichen Welt brechen kann und sein Regisseur Makoto Shinkai der neue Hayao Miyazaki. Ein Film, den man sich auch mit seinen Nicht-Otaku-Freunden anschauen kann. Ganz schön übertrieben oder ist da was dran?

(Zusammenfassung)

Mitsuha lebt gemeinsam mit ihrer kleinen Schwester Yotsuha bei ihrer Großmutter in einer ländlichen Kleinstadt Japans. Insgeheim beklagt sie ihr abgeschiedenes Dasein in der Provinz und wünscht sich ein aufregendes Leben in der Großstadt. Taki würde sich freuen, so beschaulich aufzuwachsen, denn er wohnt in der Millionen-Metropole Tokio, verbringt viel Zeit mit seinen Freunden und jobbt neben der Schule in einem italienischen Restaurant. Eines Tages scheint Mitsuha einen Traum zu haben, in dem sie sich als Junge in Tokio wiederfindet. Parallel macht Taki eine ähnliche Erfahrung: Er findet sich als Mädchen in einer Kleinstadt in den Bergen wieder, wo er noch nie zuvor war. Doch wie kommt es zu dieser schicksalhaften Verstrickung und welches Geheimnis verbirgt sich wirklich hinter den Träumen der beiden Teenager?

Handlung

»Your Name« setzt so sehr auf die klassische Drei-Akt-Struktur, dass man die Uhr danach stellen kann. Jeder Akt ist tatsächlich nahezu 30 Minuten lang und die Übergänge begleitet von Twists, die diesen Anime-Film von einer schwerfälligen Teenager-Romanze in einen schicksalhaften Kampf gegen großes Unheil wandelt. Unfähig mich vor Spannung im letzten Drittel auch nur einen Zentimeter zu bewegen, vertrete ich die Auffassung, dass ein erster ruhiger Akt für die emotionale Wirkung nötig war, die mich ohne Vorankündigung traf. Mehr dazu im nächsten Absatz. Wie nun passen aber traditionelle Elemente in die Handlung? Es ist die Dualität zwischen Stadt und Land, Wissenschaft und Religion, Mann und Frau, Moderne und Tradition – etwas, was die Prämisse des Körpertausches wunderbar einfängt. Es ist Aufhänger für Anime-Humor wie das Betouchen „seiner“ Brüste und „ihr“ femininer Charme im Körper des anderen. Die Begründung für das übernatürliche Phänomen wird im Verlauf der Handlung auch geliefert, wirkt aber mit zunehmenden Aspekten und wenig Zeit gegen Ende unglaubwürdig. Zusammengefasst also ein krasser Gegensatz zu Shikais emotionalen Slice-of-Life-Liebesdramen à la »5 Centimeters per Second«.

Charaktere

Dass die heitere Slice-of-Life-Stimmung am Anfang nötig ist, sagte ich bereits. Sie knüpft die emotionale Verbindung zwischen Zuschauer und Charakteren – etwas, was ich bei »Die Reise nach Agartha« vermisste. Im Zentrum der Handlung stehen also zwei Charakter: Mitsuha ist das Landleben satt und würde gerne ein Leben als gutaussehender Junge in Tokio führen. Das Leben als Tochter des Bürgermeisters in einer Familie, die sich um den lokalen Schrein kümmert, bringt für das abenteuerlustige, entschlossene, aber auch mitfühlende Mädchen Probleme mit sich. Taki ist genau dieser gutaussehende Junge aus Tokio und arbeitet neben der Schule Teilzeit in einem italienischen Restaurant. Er ist leicht schüchtern, ein wenig stur, aber ähnlich liebeswürdig im Umgang mit seinen Mitmenschen. Beide Charaktere sind einzeln betrachtet äußerst detailliert charakterisiert – weder kann Mitsuha kellnern noch Taki „seine“ Haare flechten. Als Paar werden beide aber denkbar schlecht etabliert. Die Nebencharaktere sind weniger komplex: In Takis Fall lockern Charaktere wie Arbeitskollegin und Studentin Miki Okudera die erdrückende Stimmung gegen Ende auf – beide empfanden zu Beginn des Films etwas füreinander. In Mitsuhas Fall platzt die kleine Schwester Yotsuha immer ins Zimmer, wenn Taki sich an „seine“ Brüste fasst – quasi ein humoristischer Sidekick. Oma Hitoha vermacht den Schwestern als Schreinpriesterin die Traditionen von Itomori – und trägt damit das Setting.

Animation

Wenn ich nun sage, dass »Your Name« die derzeit bestaussehende Animation ist, würde es niemanden wundern. Wir reden immerhin über Makoto Shinkai – dem Multitalent, das »The Voices of a Distant Star« vor 15 Jahren nahezu im Alleingang produzierte. Nimmt man ein so perfektionistisch arbeitendes Studio wie Comix Wave Films hinzu, wirkt es nur umso glaubwürdiger. Tatsächlich profitiert »Your Name« von einer breiten Farbpalette, die das schimmernde Herbst-Laub in den Bergen und die Reflektionen des Sonnenlichts an Tokios Wolkenkratzern eine Stärke verleiht, die immersiver als so mancher 3D-Realfilm wirkt. Die ganze Welt ist so detailreich, dass bereits die Anzahl an Gegenständen in den Zimmern von Taki und Mitsuha Orientierungsprobleme in mir weckt, wie sie die beiden in der jeweils neuen Umgebung auch gespürt haben müssen. Hinzukommen umwerfende Szenerien, außerordentlich flüssige Animationen und gerade mit dem Kometen am Himmel ein Himmelszelt das einem Gemälde nahekommt. Als zusätzliche Deutungsebene mit dem Plot verwoben, ergeben sich Wirkungen, die über Shinkais typische Zugmetaphern hinausgehen. Außerdem bin ich einfach ein Fan von den Charakterdesigns von Masayoshi Tanaka, der bereits in dieser Position an »AnoHana« und »Anthem of the Heart« mitwirkte.

Sound

Bei Shinkai galt immer: Kennst du einen Film, kennst du alle. Einen nicht unwesentlichen Anteil daran hatten Tenmons elegant-sanfte Violinen-Kompositionen. Nun ist »Your Name« aber wesentlich aufregender als die meisten seiner Filme. Ein guter Moment, seinem musikalischen Weggefährten Lebewohl zu sagen. Der frische Stil, den Radwimps mitbringt, spiegelt sich besonders in den vier rockig-emotionalen Titelliedern »Zenzenzense«, »Yume Tōrō«, »Nandemonaiya« und »Sparkle« wider. Tatsächlich gewann die Truppe sogar den japanischen Academy-Award für den Soundtrack. Einer Rockband, dessen Namen ich noch nie gehört habe, hätte ich das nicht zugetraut. Letztendlich ist es aber eine Stilfrage, ob einem diese Art von Soundtrack zusagt – die Qualität jedenfalls ist gleichgeblieben. Sonstige musikalische Untermalungen mit Gitarren, Geigen, Klavier und Schlagzeug als Hauptinstrumente bilden zusammen mit der dezenten Soundkulisse eine erlebbare, subtile Ebene gerade unter den Gesprächen der Charaktere. Genauso hervorragende Arbeit leisteten die Synchronsprecher, die nicht nur sorgsam ausgewählt wurden, sondern mit dem jeweils anderen Charakter im Körper gleich zwei Rollen spielen mussten.

Fazit

Handlung: Charaktere: Animation: Sound: Gesamt:
10 / 10 8 / 10 10 / 10 10 / 10 96 / 100

»Your Name« beginnt nach klassischem 3-Akt-Schema mit einer langen Exposition, die das Leben zwischen Jobben und Tradition von Großstadt-Junge Taki und Landei Mitsuha vor dem Körpertausch zeigt. In der darauffolgenden Stunde ließen Twists mich vor Spannung nicht mehr los. Keine Frage: »Your Name« ist meisterhaft geschrieben. Seine Animationen sind ein Benchmark für zukünftige Anime-Filme und wirken aufgrund des schirren Detail- und Farbenreichtums immersiver als so mancher 3D-Film. Auch der Paradigmenwechsel von Komponist Tenmon zu Rockband Radwimps wirkt frisch und dessen Insert-Songs prägen zusammen mit den Synchronsprechern, die aufgrund der Prämisse zwei Rollen sprechen, subtil die Stimmung.

Plus Minus
  • spannungsreiche Handlung mit unvorhergesehenen Twists
  • perfektionistische Animationen
  • frischer rockig-emotionaler Soundtrack
  • stellenweise unglaubwürdig

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