Die Anime-Kolumne – Lightnovels sind oftmals die Aufmerksamkeit nicht wert

Genauso vielseitig wie Anime will auch die Anime-Kolumne sein, die sich Teilaspekte aus dem Kosmos herausnimmt und mit Witz analytisch auf dem Grund geht. Das Ergebnis ist dabei offen, interessant wird es aber allemal – wenn nicht, dann lasst es uns wissen.

Wo sind eigentlich die ganzen dunklen Großstadt-Science-Fiction-Lightnovels wie Shakugan no Shana mit ihren mysteriösen Horror-Elementen und den ganzen übernatürlichen Kräften hin? Wie auch schon viele andere Trends zuvor wurde auch dieser Trend längst abgelöst. Die darauffolgende zweite große Welle an Lightnovels quillt nur so über vor schrägen Otaku-Klischees. Aber auch dieser Trend wird früher oder später sein Ende finden, bis dahin beschäftigen wir uns in dieser Ausgabe der Anime-Kolumne damit, wie es dazu kam und warum diese Art von Lightnovels ein Armutszeugnis ist.

Record of Lodoss WarAber vorher: Was sind eigentlich Lightnovels? Lightnovels sind kleine, leicht zu lesende Romane, die mit Cover und Illustrationen im Anime-Stil ausgestattet auch Personen in ihren Bann ziehen, die Literatur ansonsten nicht mal mit der Kneifzange anfassen würden. Solche Bücher gab es natürlich schon vorher, aber gerade in den 1990er-Jahren sahen sich viele Horror- und Science-Fiction-Autoren wie Kouhei Kadono in Japan dem Problem ausgesetzt, dass den traditionellen Roman-Verlagen die Geschichten zu bizarr waren. Kouhei Kadono schaffte es einige Jahre später, Boogiepop in Ascii Media Works‘ neugegründetem Label Dengeki Bunko zu veröffentlichen. Andere populäre Titel zu der Zeit wie Record of Lodoss War oder Slayers profitierten vom Aufkommen der Pen-&-Paper-Rollenspiel.

Boogiepop jedenfalls wurde kurze Zeit später als Anime adaptiert und brachte vielen Anime-Fans Lightnovels das erste Mal näher. Gewissermaßen gab das Werk den Ton für die kommenden Jahre an. Es folgten ähnliche Geschichten wie The Garden of Sinners (1998), Kino’s Journey (2000) oder Baccano (2003) von Durarara-Schreiber Ryougo Narita. Zu der Zeit hatte Nisioisin mit Zaregoto (2002) seinen Durchbruch. Sein Aushängeschild waren schon damals verworrene Dialoge, Wortspiele und Anspielungen auf andere popkulturelle Werke. Die Lightnovel-Industrie prägte er einige Jahre später allerdings mit einem anderen Werk …

Die Melancholie der Haruhi SuzumiyaZunächst aber drückte eine andere Lightnovel im Jahr 2006 ungewollt mit dem Erfolg seiner Anime-Adaption beiden Industrien seinen Stempel auf: Die Melancholie der Haruhi Suzumiya. Ohne Horror-Elemente, aber dafür mit Charakteren, die sich und ihre Superkräfte nicht so ernst nahmen, prangerte Nagaru Tanigawa die Lächerlichkeit von Anime und Manga an, die an Oberschulen spielen, indem er genau so eine Story erschuf, um sie dann durch den Kakao zu ziehen. Die Anime-Industrie hatte nun endgültig Lightnovels für sich entdeckt. Gleichzeitig entstanden in den folgenden Jahren neue Lightnovels, die mit Anime-Klischees spielten.

Zu diesem Trend trug der Erfolg der Lightnovel Bakemonogatari (2005) von Nisioisin bei, dessen Charaktere sich durch ihre mysteriösen Fähigkeiten immer wieder in klischeehaften Lagen wiederfanden und mit Otaku-Terminologie ihre Situation gegenüber dem Zuschauer metakommentierten. Bis heute zählt der Low-Budget-Anime, der 2009 vom bis dato hitserienlosen Studio Shaft folgte, zu den meistverkauften Anime-Discs. Die unzähligen Meta-Lightnovels mit endlos langen Namen und der kleinen Schwestern als Charakter haben wir allerdings dem Erfolg von Ore no Imouto ga Konna ni Kawaii Wake ga Nai (2008) zu verdanken. Aus diesem Blickwinkel betrachtet sind Boku wa Tomodachi ga Sukinai (2009) und Saekano: How to Raise a Boring Girlfriend (2012) nahezu 1:1-Adaption von Oreimo.

Re:ZeroTrotzdem: Anime auf Basis von Lightnovels machen Season für Season nicht den größten Teil aus und auch nicht alle erfolgreichen Lightnovels sind automatisch Meta-Werke. Log Horizon (2010) von Mamare Touno hielt die Fahne des Fantasy- und Scifi-Genres hoch, Golden Time (2010) von Yuyuko Takemiya ist eine Liebeserklärung an alte Romanzen und generische Werke wie Sword Art Online (2009) gibt es auch noch. Letztere sind weder besonders sozialkritisch noch setzten sie sich mit Anime-Klischees auseinander. Sagte ich Sword Art Online? Da der Titel bis zum heutigen Tag weltweiten Ruhm einheimst, sind findige Lightnovel-Autoren natürlich auch auf diesen Zug aufgesprungen. Metazentrische Storys werden spätestens seit der Frühlingsseason 2016 und Publikumsliebling Re:Zero nun auch in abenteuerlichen Parallelwelten stattfinden – die hier zugrundeliegende Novel startete 2012.

Wollten Autoren ursprünglich also lediglich Anime-Klischees ins Lächerliche ziehen, erfreute sich diese Erzählart solch großer Beliebtheit, dass aus kritischer Überspitzung längst Status Quo wurde. Bis dem letzten Fan diese Praktiken blutig aus den Ohren raushängen, werden uns Oberschulen, Anime-Humor und hohle Charakter-Hülsen noch eine Weile begleiten. Mit diesen geistlosen Gestalten, die sich Charaktere schimpfen, werde ich jedenfalls in einer kommenden Ausgabe der Anime-Kolumne ein Hühnchen rupfen und Madame Langatmigkeit kriegt sicher auch noch ihr Fett weg.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Scroll to top