Warum immer auf eine Review nach Abschluss der Serie warten, wenn man sich schon nach der ersten Episode beziehungsweise dem ersten Band einen Eindruck bilden kann? Da setzt Ersteindruck an und gibt schon einmal einen Ausblick darauf, ob es sich lohnt, dem Anime oder Manga eine Chance zu geben, oder nicht.

Titel:	Jeannie mit den hellbraunen Haaren
Genre:	Slice of Life, Drama
Studio:	Nippon Animation
Release:	24.03.2023
Episoden:	26 à 26 Minuten
Publisher:	Pidax Animation
Preis:	25,90 € (2 Volumes)

(Basis für diesen Ersteindruck ist die erste DVD-Volume mit den Episoden 1 bis 26.)

Seit seinem Sendestart im März 1993 konnte der TV-Sender RTL2 sehr große Erfolge mit der Ausstrahlung diverser Anime erzielen. Unter ihnen waren so bekannte Titel wie beispielsweise »Dragonball«, »Sailor Moon« oder auch das bis heute bekannte und beliebte »Pokémon«. Während diese Titel wahrscheinlich auch jüngeren Fans noch etwas sagen dürften, wird es bei den absoluten Kult-Anime-Legenden der 90er Jahre wohl schon etwas schwieriger. Doch »Mila Superstar«, »Die tollen Fußballstars« oder auch »Lady Oscar« haben bis heute eine Fanbase, die immer noch die deutschen Titelmelodien in- und auswendig kennt und liebt.

Im Rahmen des im Jahre 2000 gegründeten Programmblocks »Pl@net Zone«, der am frühen Nachmittag startete und ausschließlich Anime-Folgen bereithielt, zeigte RTL2 neben »Digimon Adventure« oder »Jeanne, die Kamikaze Diebin« auch »Jeannie mit den hellbraunen Haaren«. Pidax Animation (»Hanni und Nanni«, »Der Planet der Dinosaurier«) hat den Anime-Retro-Fundus erneut geöffnet und veröffentlicht diese Kindheitserinnerung nun auf DVD. Und welches Anihabara-Teammitglied wäre für diesen Ersteindruck besser geeignet als Tsubomi alias Jenny mit dem blonden Haar?!

(Zusammenfassung)

Pennsylvania im Jahr 1938: Es ist die Zeit nach der Abschaffung der Sklaverei, in der die junge Jeannie MacDowell aufwächst. Sie ist ein fröhliches Mädchen mit blonden Haaren, das gerne Klavier spielt. Ihre Mutter gibt ihr darin Unterricht. Ihre besten Freunde sind Stephen und Bill. Mit ihnen musiziert sie gemeinsam. Als die Mutter stirbt, ändert sich Jeannis leben schlagartig. Sie beschließt bald, kranken Leuten zu helfen. Dann heiratet ihr Vater erneut und es gibt Probleme mit der Stiefmutter. Jeannie kommt wenig später in ein Internat …

Pidax Animation

 Nostalgie mit starkem Ton

KAZE NO NAKA NO SHOUJO: KINPATSU NO JENII Vol. 1 © NIPPON ANIMATION CO., LTD. 1992

Der von Nippon Animation produzierte Anime »Jeannie mit den hellbraunen Haaren« ist ein Werk aus 1992 und beruht lose auf dem gleichnamigen Song aus dem Jahr 1854 von Komponist Stephen Foster. Ebendieses Lied bildet in einer von einem Kinderchor gesungenen Fassung das Intro und Ending einer jeden Folge sowie die Hintergrundmusik des DVD-Menüs. Obwohl Stephen als Charakter und Love Interest selbst auch eine zentrale Rolle im Anime spielt und sich einige biografische Züge wiederfinden lassen, ist es Jeannie, deren Leben und Familie im Fokus der Geschichte stehen. Sie wird als lebensfrohes und sehr willensstarkes Mädchen dargestellt, das sich trotz des frühen Verlustes ihrer Mutter Angela wieder aufrafft und durch die Einsamkeit hinweg große Ziele für ihr Leben setzt und diese verfolgt. Insofern beinhaltet die Serie eine wichtige Message für ihre kleinen Zuschauerinnen. Die deutsche Synchro wartet mit Angela Wiederhut in der Hauptrolle auf, die auch Misty aus »Pokémon« gesprochen hat.

 Die Altersfreigabe

KAZE NO NAKA NO SHOUJO: KINPATSU NO JENII Vol. 1 © NIPPON ANIMATION CO., LTD. 1992

Die Dialoge und Story-Inhalte sind weitestgehend kinderfreundlich, wenn auch aufgrund ihrer Entstehungszeit und der Zeit, die die Geschichte einfängt, heutzutage nicht mehr politisch korrekt. So werden zum Beispiel des Öfteren sexistische Tendenzen deutlich, wenn Jeannie von ihren gleichaltrigen Freunden daran erinnert wird, dass sie als Mädchen nicht schneller als die Jungen rennen könne, oder ihre Mutter und Bekannte sie darüber aufklären, dass sie als Mädchen keinen Handstand machen sollte und dringend bald alle Fähigkeiten einer guten Hausfrau erlernen müsse. Sehr unangenehm mitanzusehen ist auch die Behandlung von Jeannies Freund Bill, der als Schwarzes Kind nicht mit ihr und Stephen gemeinsam in die Schule gehen darf und im späteren Verlauf der Handlung mit seiner gesamten Familie aus dem Haus geworfen wird. Nur mit einer gemeinsamen, elterlichen Einordnung beim Schauen kann ich der FSK 0-Kennzeichnung für diese Serie zustimmen.

 Mut zur Wiederentdeckung

KAZE NO NAKA NO SHOUJO: KINPATSU NO JENII Vol. 1 © NIPPON ANIMATION CO., LTD. 1992

Die deutsche Erstausstrahlung von »Jeannie mit den hellbraunen Haaren« bei RTL2 erfolgte im Juni 2001 und ich meinte, mich noch dunkel an die Serie erinnern zu können, als ich die DVD-Ankündigung las. Ein Grund, warum die Serie vielleicht in ähnlicher Weise vom Radar der deutschen Animefans fiel wie bei mir, könnte sein, dass sie in der Vielfalt des damaligen Angebotes schlichtweg nicht auffiel. In der Zeit zwischen 1993 und 2006 zeigte der Sender eine Anzahl von fast 70 Serien. Des Weiteren nahm bereits in 2005 mit Beginn der Pokito-Ära die Popularität der Anime-Sparte stetig ab. Die sinkenden Einschaltquoten begründen Fans unter anderem durch die weitreichende Zensur diverser Anime-Titel wie beispielsweise »Naruto«. Umso schöner ist es, dass Pidax Animation sich der Serie mit den Genres Slice of Life und Drama angenommen hat und sie uns heute mit ihren 52 Episoden wieder zugänglich macht. Bild und Ton liegen in einer klaren und guten Qualität vor, sodass das Schwelgen in Erinnerungen hier richtig Spaß macht.

 Kleine Ungereimtheiten

Ein kleines Manko gilt dem deutschen Dialogbuch oder aber der Synchro, die von Pidax nicht neu bearbeitet wurde, sondern sich so wie zur Erstausstrahlung auf der DVD befindet. Wie in der gedruckten Zusammenfassung der Story (siehe oben) wurden hier die Jahreszahlen der Geschichte vertauscht. Es kommt das Jahr 1938 zur Sprache kommt, aber die gezeigten Situationen, Bekleidungen sowie die dargestellte gesellschaftliche Ordnung passen überhaupt nicht zu der Zeit kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs. Die Biografie von Stephen Foster und auch die realen Entstehungszeiten seiner Musik, die den Anime durchzieht, gibt letztendlich Aufschluss darüber, dass es korrekterweise 1838 sein müsste – dies würde bedeuten, dass die Geschichte noch vor dem Amerikanischen Bürgerkrieg angesetzt wäre.

Fazit:

Pidax Animation bringt uns nach »Hanni und Nanni« ein weiteres Stück Retro-Anime-Geschichte in die Sammler-Regale, weckt damit Nostalgiegefühle und erinnert dementsprechend an gute alte Zeiten. Die Geschichte von Jeannies Leben ist keine fröhliche, aber für viele jüngere Animefans oder Kinder der Fans von damals sicherlich ein guter Einstieg mit herzerwärmenden Episoden. Die erste von zwei Volumes enthält insgesamt 4 DVDs und besitzt ein Wendecover sowie als Bonusmaterial eine Bildergalerie. Die Veröffentlichung der zweiten Volume ist für Ende Mai 2023 geplant und wird zu diesem Zeitpunkt sicher einige heimische Anime-Sammlungen komplettieren!