Angezockt – »The Quarry« – Grusel vom Feinsten oder lauwarme Serienkost?

Wenn Anime-Fans nicht Anime schauen oder Manga lesen, tun sie was? Richtig, vermutlich zocken und darum geht es hier: Wir schnappen uns ein aktuelles Game und schreiben unsere Gedanken dazu nieder, um am Ende die Frage beantworten zu können, ob sich ein Kauf denn jetzt lohnt.

The Quarry
Titel: The Quarry
Genre: Survival Horror, interaktiver Film
Publisher: 2K Games
Entwickler: Supermassive Games
Release: 10. Juni 2022
USK: Ab 18 Jahren
UVP: 59,99 Euro

Es ist mal wieder Sommer und während viele Teens und Studierende sich in dieser Zeit eine ordentliche Auszeit gönnen, werden die Gruselgestalten, die sich diese Gruppen vornehmlich als Opfer nehmen, erst so richtig aktiv. Zumindest haben uns das Filme wie »Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast« gelehrt, die bei uns bis heute hoch im Rang stehen. Das liegt nicht nur daran, dass sie damals zu unseren ersten Schritten ins Horrorgenre gehörten, sondern auch weil sie auch immer noch enorm Spaß machen, was nicht zuletzt an den damals etablierten Konventionen und Erzählmustern liegt.

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Als wir also von »The Quarry« hörten, meldeten wir uns sofort für ein Review an. Schließlich hofften wir, dass ein ähnlicher Nerv gekitzelt werden könnte. Mitgetragen wurde diese Hoffnung von der positiven Erfahrung, die wir bereits mit »Until Dawn« – einem im Jahre 2015 exklusiv für die Playstation 4 erschienen interaktiven Horror-Drama, das genau auf den Teenie-Drama-Klischees der 90er-Slasher basiert – gemacht haben. Supermassive Games hat damals einen echten Überraschungshit abgeliefert und sich als genre-definierender Entwickler etabliert.

Anstatt jedoch weiter mit Sony zu arbeiten, ging Supermassive Games mit Bandai Namco neue Wege, um die »The Dark Pictures Anthology« zu veröffentlichen, deren neuster Teil »The Devil in Me« im Herbst diesen Jahres erscheinen soll. »The Dark Pictures Anthology« fokussiert sich zwar weiterhin auf düstere Themen, versucht aber mit neuem Fokus auf Mystery etwas mehr Tiefgang zu erreichen. Das ist bei vielen Fans sehr positiv angekommen, dennoch ist dabei einiges vom Charme von »Until Dawn« verloren gegangen –  weshalb wir uns bei der Ankündigung von »The Quarry« sehr über die Rückkehr zu den Wurzeln freuten. Interessanterweise ist weder Sony noch Bandai Namco an der Veröffentlichung des Spiels beteiligt. 2K –  welches durch »Bioshock«, »Borderlands« und so einige Sportspiele bekannt sein sollte – steht Supermassive Games als Publisher zur Seite.

 

Doch genug um den Kakao getanzt, worum dreht sich »The Quarry«?

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Die Story setzt sich aus Elementen klassischer Horrorstreifen zusammen und  Supermassive Games macht dabei von Mechaniken aus eigener Spiel-Historie Gebrauch, um sie entsprechend zu erzählen. So wird zwischen den Kapiteln durch eine Wahrsagerin Kontext gegeben und die Geschichte bei Bedarf etwas erläutert sowie Foreshadowing betrieben – ein Konzept, das die Entwickler spielübergreifend mit »The Dark Pictures Anthology« eingeführt haben und das auch hier wunderbar funktioniert. Die Gruppendynamik und das Szenario erinnern wiederum stark an »Until Dawn«, nur dass dass es sich hier nicht um eine Gruppe von Freunden dreht, die zusammen auf einer einsamen Berghütte ein Wochenende verbringen wollen, sondern um die Camp-Counselor am Abreisetag, nachdem die Ferien eigentlich vorbei sind. Die Gruppe setzt sich sich dabei aus Charakteren mit Eigenschaften zusammen, die dem ein oder anderen bekannt sein könnten: zurückhaltende Nerds mit Spezialinteressen, oberflächlich gezeichnete Social-Media-Sternchen, sowie der essentielle Highschool-Quarterback mit leicht angeberischem Verhalten. Insgesamt sind ganze 9 Charaktere spielbar und noch ein paar weitere relevant für die Story, also ein ziemlich ausladender Cast und wir konstatieren: die Mischung stimmt! Ein spannendes Detail ist bei Spielen von Supermassive Games noch die Zusammenarbeit mit echten Schauspielern, die natürlich genretypisch gecastet sind. So dürften Fans bei »The Quarry« beispielsweise David Arquette aus der Slasherfilmreihe »Scream« als Campbetreiber oder Grace Zabriskie aus der Mystery-Serie »Twin Peaks« als oben erwähnte Erzählerin erkennen. Dem breiteren und jüngerem Publikum wird dagegen Ariel Winter aus »Modern Family« bekannt vorkommen, sie mimt mit Abigail einen der aus unserer Sicht herausragenden Hauptcharaktere.  

Doch bevor Sommerflirts beendet und noch nicht ganz entzündete Liebesfunken zu Was-wäre-wenn-Erinnerungen werden, wird die Abreise aus Gründen auf den nächsten Tag verschoben. Natürlich nutzen die Teenager die unverhoffte Freiheit, um noch ein letztes Mal und vor Allem ohne Aufsicht durch Erwachsene die Sau raus zu lassen. Dass sich die Nacht etwas anders ausgestaltet, als von den Protagonisten erwartet, versteht sich dabei von selbst.

 

Und wie spielt es sich?

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Wie schon erwähnt, weicht das Spiel nicht sonderlich vom bewährten Spielprinzip der voriger Supermassive-Spiele ab. Im Grunde genommen kann man es wie einen interaktiven Film beschreiben, in welchem man immer wieder die Kontrolle einzelner Charaktere übernimmt. Diese steuert man dann durch limitierte Areale, sammelt Hinweise in Form von Gegenständen, trifft schwere Entscheidungen in Dialogen und reagiert auf Geschehnisse unterschiedlicher Art, die dann den Verlauf der Geschichte beeinflussen. Dabei wird häufig Gebrauch von Quick-Time-Events gemacht, die in ihrer Art leider nicht allzu sehr variieren und auch nicht sonderlich schwer sind, was zwar Frust verhindert, aber auch den Grad des Nervenkitzels verringert. 

Dass »The Quarry« aber nicht groß von der Supermassive-Gameplay-Formel abweicht, muss nicht unbedingt negativ sein, denn eben jene ist mittlerweile altbewährt und man findet so schnell Zugang zum Spiel. Diesbezüglich müssen wir auch erwähnen, dass Supermassive einen neuen Weg bei den Tutorials geht. Zwar gibt es wie in den anderen Spielen des Entwicklers einen Prolog, der Setting und Spielprinzip erklärt, aber neu hinzu kommen im Comic-Look gestaltete Tutorial-Videos, die als humoristisch zu verstehende Camp-Regeln gestaltet sind. Sie erinnern uns positiv an Fallout, sind aber so deplatziert, dass sie Spielende aus dem Geschehen und vor allem der Atmosphäre regelrecht herausreißen. Wir hätten uns hier eine Variante gewünscht, die einen etwas nahtloser an die Hand genommen hätten und fragen uns, wieso einfachere Hinweise oder eine bessere Integration in die Spielwelt nicht möglich waren – die hätte sich mit dem Szenario der Sicherheitshinweise im Camp klar angeboten.

Auch haben die Entscheidungen in den Dialogen uns nicht immer ganz so schwer schwitzen lassen, wie wir es von anderen Spielen aus der Feder von Supermassive Games gewohnt waren. Das mag auf die Charaktere der Geschichte zurückzuführen sein, die uns im Grunde zwar gefielen, einige aber doch erschreckend flach geschrieben sind. Auch wenn es irgendwie klar ist, dass man bestimmte Charaktere nicht da sind, um gemocht zu werden, hätte durchaus etwas mehr von ihrer Kehrseite zum Vorschein kommen können. So hätte man eine Verbindung zu ihnen aufbauen können und nicht gleich schadenfroh oder gar erleichtert reagiert, wenn sie dann doch das Zeitliche segnen.

Aber wo wir beim Zeitlichen segnen sind: Das Ziel des Spiels ist es, alle Charaktere möglichst unbeschadet durch die Geschichte zu leiten und dies ist natürlich alles andere als einfach beim ersten Durchgang. Uns ist es in unserem Playthrough gelungen mit dem Großteil der Gruppe zu überleben und wirklich alle Kapitel der Geschichte zu sehen, Neulingen des Genres dürfte das allerdings nicht direkt gelingen. Aber darauf ist die Story auch ausgelegt, denn man soll »The Quarry« gut und gerne mehrere Male durchspielen und verschiedene Ansätze ausprobieren. Die vielen Möglichkeiten durch die Multiplayer-Modi erhöhen dabei den Spielspaß. Zum einem gibt es den sogenannten Couch-Coop-Modus indem man sich mit mehreren Spielenden auf das Sofa oder vor den Rechner setzt und jeder Person die Kontrolle über eine gewissen Anzahl von Charakteren übernimmt. Wer aber nicht lokal zusammenkommen kann, der sollte zum gerade erst eingeführten Wolf-Pack-Modus greifen, der Spielenden erlaubt online zusammenzukommen. Anders als beim Couch-Coop übernimmt man hier jedoch nicht die Kontrolle über einzelne Charaktere, sondern es wird über Entscheidungen abgestimmt, was dem ganzen Spiel einen neuen Twist verleiht. Leider aber fehlt eine Twitch-Integration, die beispielsweise bei As Dusk Falls super funktioniert und die das Ganze sicherlich zu einer Freude für Content Creator und ihre Community machen würde.

 

Wie sieht es unter der Haube aus? 

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Doch jetzt haben wir so viel über das Spielgeschehen geredet und dabei kein Wort über die Grafik verloren. Bei einem Spiel, das fast wie ein interaktiver Film ist, spielt das Aussehen natürlich eine große Rolle und hier müssen wir unsere Hüte vor Supermassive Games ziehen, denn »The Quarry« sieht bis auf einige Ausnahmen fantastisch aus. Camp Hackett und seine Umgebung zieht einen mit seinen schönen, aber auch düsteren Seiten absolut in seinen Bann und vermittelt einem wunderbar die drückende und beängstigende Atmosphäre, die solch eine Geschichte brauch. Auch die Charaktermodelle sehen großteils grandios aus und man kann sich an den Details kaum sattsehen.

Einige technische Makel gibt es allerdings doch. Dazu zählten kurze Abschnitte, in denen die Dialoge ohne ersichtlichen Grund nicht synchron mit dem Bild waren, hin und wieder unpassende Texturen. Darüber hinaus driften die sehr guten Mimiken manchmal ins Absurde ab, als würden die Charaktere die Kontrolle über ihre Gesichtsmuskeln verlieren und die – als einzelne Objekte betrachtet unfassbar gut aussehenden – Augen stieren uns stellenweise direkt in die Seele. Das ist aber alles soweit verkraftbar bricht die Immersion nicht per se, wäre da nicht das für uns wohl größte Problem: das Wasser beziehungsweise die Animation von Wasserspritzern. Wir können es uns ehrlich nicht erklären, aber insbesondere gerahmt von der ansonsten absolut bestechenden Grafik macht es uns regelrecht verrückt, wie eindimensional, niedrigauflösend und zu allem Übel auch noch ruckelnd das Wasser dargestellt wird, wenn Personen oder Objekte hineintauchen. Bei einem Spiel, dessen Schauplatz ein Sommerferien-Camp an einem zum See umfunktionierten Steinbruch darstellt, den die Teenager natürlich für Lagerfeuer und Party am Ufer sowie Skinny Dipping nutzen macht es uns noch besonders fassungslos, weil dem Wasser vielleicht keine tragende aber eine relevante Rolle zuteil kommt. 

 

The Quarry: Das Fazit

gelber DaumenAuch wenn wir mit so einigen Elementen von »The Quarry« nicht zufrieden waren, hatten wir einen unheimlichen Spaß mit diesem Spiel und halten ihn für einen würdigen spirituellen Nachfolger von »Until Dawn«. Mit einer spannenden Geschichte und altbewährtem Spielprinzip hat Supermassive Games uns für ungefähr zehn Stunden an den PC gefesselt und Fans von den am Anfang erwähnten Horrorfilmen oder generell packenden Stories empfehlen wir hier zuzugreifen. Wir hoffen, dass Supermassive neben der »The Dark Pictures Anthology« auch weiter an solchen Projekten arbeitet und wir auch in einem kommenden Sommer wissen, was wir zu tun haben.

 

Plus Minus
  • Story & Charaktere wieder auf dem Niveau von »Until Dawn«
  • kreatives Storytelling
  • hoher Wiederspielwert für die verschiedenen Schicksale
  • kleinere technische Probleme
  • das Wasser
  • mehr Innovation wünschenswert gewesen

Rezensionsexemplar - 2K Games

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