Anime-Review: Charlotte

Charlotte - Cover(Quelle: MAL)
Titel: Charlotte
Genre: Drama / Superkräfte
Studio: P.A. Works
Release: 2015
Folgen: 13 à 24 Minuten
Publisher: Peppermint
Preis: 38,99 € (2 BDs)

1998 nahm bei Spieleentwickler Key, die mit Visual-Novels wie Clannad einige Klassiker der Neuzeit hervorgebrachten, alles seinen Anfang. Seitdem wurde im Prinzip jedes ihrer Werk als Anime adaptiert. Und dann gab es da noch Angel Beats – das bis dato einzige Anime-Originalwerk des Entwicklers, welches 2010 zusammen mit P.A. Works entstand. Das kreatives Hirn dahinter, Jun Maeda, übernahm hier sowohl die Skripte, die Musik als auch den Regieposten. Nach einigen Differenzen was die Episodenanzahl anging dachte dieser eigentlich nichts mehr von P.A. Works zu hören, aber es kam anders und so entstand zwischen den beiden für ein zweites Originalwerk 2012 erneut der Kontakt. Das Ergebnis ist Charlotte, der geistige Nachfolger des Anime, wegen dessen Hype ich anfing anhaltend bis heute wieder massig Anime zu schauen. Dieser war sicher nicht perfekt, die Frage aber ist, ob man daraus gelernt hat oder sich die Geschichte nun wiederholt?

(Zusammenfassung)

Oberflächlich wirkt Yuu Otosaka wie ein charmanter und intelligenter Teenager, aber der Schein trügt. Er besitzt nämlich die Fähigkeit für 5 Sekunden den Körper und Geist der Menschen in seiner Nähe zu übernehmen, wodurch es ihm gelungen ist, jahrelang Bestnoten zu schreiben und letztendlich auf einer angesehenen Elite-Oberschule aufgenommen zu werden.

Das ändert sich jedoch schlagartig als ihm die mysteriöse Nao Tomori von der Sternenmeer-Schule auf die Schliche kommt und ihn und seine Schwester Ayumi zwingt, auf ihre Schule zu wechseln – eine Schule für Schüler mit übernatürlichen Kräften. Dort ist es die Aufgabe des Schülerrats, geleitet von Nao, Jugendliche aufzuspüren, die ihre Kräfte missbrauchen. Diesem muss auch Yuu beitreten, der sich angesichts der Herausforderungen, die sich ihnen stellen, schon bald herausfinden muss, dass seine unvollständige Fähigkeit mächtiger ist als er gedacht hätte.

Handlung

Jugendliche mit Superkräften so unvollständig wie sie selbst und Wissenschaftler, die sie für ihre Experimente manipulieren als Spiegel der Gesellschaft, eigentlich doch ein schönes Konzept. Charlotte will nur halt zu viel. Einen Hauptcharakter mit lelouchesken Fähigkeiten, ein Setup wie Kokoro Connect, den Humor von Angel Beats, Sis-Com-Elemente, Zeitreise, Idols, Romantik, Baseball: Die Liste würde so weitergehen. Aber jetzt mal langsam: Die erste Hälfte der Serie läuft eigentlich mit einem Mix aus Comedy- und Dramaelementen und gutem Slice of Life sehr ruhig ab. So ruhig, dass jede Episode fast schon fillerartig immer gleich abläuft. Die zweite Hälfte fühlt sich dann auf einmal wie ein ganz anderer Anime an: Man erfährt hautnah von den Praktiken des Gegners und plötzlich sterben sogar Menschen. Entsprechend zieht das Tempo auch an auf ein Maß, das Geschehnisse einfach nur noch passieren lässt und nicht mehr hinterfragt, sodass die Aussage des Endes nicht mal mehr zum Rest des Anime passt. Gerade die emotionale Schwere, die einige Szenen hätten haben können, ging bei dem Versuch verloren, alles noch in einen Anime zu bekommen. Wenn dann allerding der Moment kommt, wo man die Szenen durch neue Erkenntnisse noch mal durchlebt, weiß man, dass nicht alles schlecht war.

Charaktere

Eines gleich vorweg: Charlotte ist im Vergleich zu Angel Beats viel weniger mit Charakteren überladen. Ist also diesmal Platz für Charakterentwicklung? Der Anfang lässt es vermuten: Zunächst noch hinterlistig und egoistisch wird Protagonist Yuu Otosaka im Verlauf der Story zu einer netten, selbstlosen Person, fast schon zum Klon von Otonashi aus Angel Beats. An einigen Stellen des Anime verfällt er dann aber in alte Muster. Die rissige Plot-Struktur hat auch hier seinen Preis: Damit die Story schneller vorangeht, müssen die 4 anderen Hauptcharaktere für die letzten Folgen verschwinden und auch für das genretypische Liebesgeständnis ist nicht wirklich Zeit. Nao Tomori fasst es ganz gut zusammen: „Ich habe nichts getan, was deine Liebe rechtfertigen würde.“ Sie ist die Tsundere der Serie – in Yuus Nähe manchmal liebenswert, ansonsten aber streitsüchtig. Verraten von ihrer eigenen Mutter ist sie oft allein und vertraut eigentlich niemandem, was es schwermacht, zu erkennen, was sie wirklich denkt. Von einander fühlen sie sich angezogen, was auch ihre Freunde merken, wenn die beiden miteinander zärgern oder wie aus einem Mund antworten. Zu diesen Freunden gehören das niedliche, unschuldige Idol Kurobane Yusa, in der die Seele ihrer toten Schwester wohnt, die das komplette Gegenteil von ihr ist, und ihr ekstatischer Fan, der Brillenträger Joujirou Takajou, der zwar ein guter Freund ist, mit seiner Art aber jedes ernste Gespräch sofort abwürgt. Und dann ist da noch Yuus Schwester, sein einziges im gebliebenes Familienmitglied.

Animation

Was die Animation angeht, wäre ich sofort bereit die volle Punktzahl zu geben, wenn der Anime nach Episode 1 geendet hätte. Allein der Anfang: Die Dioden und Schaltkreise eines Ampellichts sind zu sehen. Dieses wird grün, alles andere ist nur in Graustufen. Außer Yuu, der auf einer großen Fußgängerkreuzung stehen bleibt und in den blauen Nachthimmel starrt. Danach setzten dann wohl Zeitdruck, Budgetbedenken oder sonstige Probleme ein. Aber Charlotte muss sich eigentlich nicht verstecken. P.A. Works hat sich seit Angel Beats in nahezu allen Bereichen verbessert und gehört sicherlich mittlerweile zu den Top-Studios. Allein, dass unwichtige Statisten im Hintergrund akzeptabel gezeichnet und flüssig animiert sind, zeigt das. Zum Ausgleich sparen die vielen Comedy-Szenen dann Budget. Es ist immer wieder erschreckend, dass Szenenrecycling, Blut, das langsam unsichtbar wird, und schwarze Smiley-Gesichter die Szenen sogar noch lustiger machen. Sagte ich Comedy? Auch wenn es für die Bewertung keinen Unterschied macht, sind auch die typischerweise Anspielungen auf andere Key-Anime hier und da versteckt. Zusammenfassend gesagt sind gute Hintergründe, aufwändig ausgearbeitete Charakterdesigns und ein ordentliches Aufhübschen der Rohszenen das Geheimrezept dieses Anime.

Sound

Wer Jun Maeda kennt, der weiß, er hat eigentlich noch nie so wirklich mit einem Soundtrack danebengelegen, so auch bei Charlotte: Obwohl der Anime aus einer großen Variation an Tracks zehren kann, beschränkt man sich darauf nur die wichtigsten Szenen mit Hintergrundmusik zu akzentuieren. Dementsprechend sind auch besonders starke Instrumente wie Klavier, Geige, Trommel oder Akkordeon gewählt. Ja, richtig, Akkordeon. Dieses findet im Charakter-Theme von Yusarin Einsatz und schafft damit wirklich urlustige Situationen. Den Kontrast hierzu bilden verwaschen klingende Stücke mit viel Hall. Apropos Hall, warum nicht mal die Stimme des wortkargen, geheimnisvollen Verbündeten mit Hall unterlegen. Aber auch ansonsten sind die Synchronsprecher durchweg auf einem Top-Niveau. Lediglich Yuus Synchronstimme harmoniert überhaupt nicht mit seiner antagonistischen Art in den ersten Minuten des Anime. Kein Wunder, Yuu ist auch eigentlich der liebste Mensch der Welt. Bei den Endings zeichnet sich außerdem der Vorteil ab, ein eigenes Soundlabel zu leiten. Mit viel eigenem Charme eignen die sich nämlich ausgezeichnet, um emotionale Szenen am Ende der Episode zu unterlegen. Da ist es schon verwunderlich, dass Lia trotz ihrer kristallklaren Stimme kein Kracher-Opening wie bei Angel Beats oder Clannad After Story landen konnte.

Fazit

Handlung: Charaktere: Animation: Sound: Gesamt:
7 / 10 7 / 10 8 / 10 9 / 10 76 / 100

Charlotte will eigentlich nicht mit Angel Beats verglichen werden – man tauschte sogar große Teile des Produktionsteams durch neue frische Animatoren aus, aber der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopfe her und so kommt man auch hier nicht drumrum. Trotz Fortschritte bei den Charakteren macht Charlotte mit seinem eigentlich interessanten Ansatz denselben Fehler. Typisch Visual-Novel lässt man sich zunächst Zeit, nur um zu bemerken, dass 6 Folgen für Ernsthaftigkeit zu wenig sind. Trotzdem fesselt der Anime und das nicht zuletzt wegen der hübschen Animation und dem passenden Soundtrack.

Plus Minus
  • viele, interessante Konzepte …
  • State-of-the-Art-Animationen
  • charmanter Soundtrack
  • … die erschlagend wirken
  • … die die emotionalen Höhepunkte killen
  • … die Potenzial für Charakterentwicklung ersticken

Ähnlich: Angel Beats (Anime) + Kokoro Connect (Anime)

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