Interview – Seiji Kishi: »Für Motion Capture hat einfach das Geld gefehlt« (Connichi 2018)

Mikrofon ausgepackt, Ständer aufgebaut und Aufnahme: Überall, wo sich Menschen treffen, gibt es auch immer Leute, die Spannendes zu erzählen haben. Einige davon kriegen wir hin und wieder vor unsere Kamera, vor unseren Notizblock oder in Skype und Teamspeak gezogen.

Seiji KishiSeiji Kishi war zur rechten Zeit am rechten Ort: Nachdem er seinen Abschluss an der renommierten Yoyogi Animation School in der Tasche hatte, als Animator bei Ajia-Do gestartet war und genug Leuten über seinen Kindheitswunsch, Regisseur zu werden, in den Ohren gelegen hatte, befand sich die Anime-Brache gerade im Aufschwung und die Digitalisierung begann, viele Dinge zu verändern. So kam es, dass er mit 28 (!) bei »Kappamaki and the Sushi Kids« die Regie führte. Das war 2003! Vier Jahre danach traf er im Rahmen der Arbeiten an dem Anime »My Bride is a Mermaid« dann auf Drehbuchschreiber Makoto Uezu: Sie hassten Arbeit, aber liebten Anime – ganz und gar nicht typisch für die ansonsten so strebsame Animationsbranche. Doch den Kunden gefiel, was sie machten, und so gelangte das Outlaw-Duo immer wieder an Aufträge wie »Assassination Classroom« oder »Danganronpa The Animation« für Studio Lerche. Eine zweite Leidenschaft sorgte in jüngster Zeit allerdings dafür, dass man Seiji Kishi neben Meetings und seinem Schreibtisch auch an einem anderen Ort treffen kann: Fitnessstudios. Kein Wunder also, dass er vor unserem Gespräch am Samstagmorgen noch die Hantelbank drückte.

 

„Wow, warum gab es so etwas bislang noch nicht?“, dachte ich damals, als ich »Tsuki ga Kirei« gesehen habe. An dem Projekt waren Sie als Regisseur beteiligt. Würden Sie sagen, dass Sie so etwas wie ein bestimmtes Genre haben, woran Sie gerne arbeiten?

Seiji Kishi: Im Grunde wurde das Projekt von dem Produzenten der Serie an mich herangetragen. Es ist eine sehr pure Liebesgeschichte. Er dachte sich, dass ich so etwas noch nie zuvor gemacht habe und genau deshalb der Richtige für den Posten des Regisseurs wäre. Was Genres betrifft, handhabe ich es professionell: Alles, was mir aufgetragen wird, nehme ich an. Das ist mein Ansatz als Regisseur.

Hat sich in den Jahren etwas in Ihrer Arbeit geändert?

Seiji Kishi: Mit dem technische Fortschritt hat sich unsere Arbeit über die Jahre stark verändert. Natürlich sind aber auch ich und mein Team immer besser geworden.

Einige Ihrer bekanntesten Werke wie »Assassination Classroom« entstanden in Zusammenarbeit mit Studio Lerche. Tatsächlich führten Sie bei fast der Hälfte der Anime des Studios die Regie. Wie kam es, dass Sie bei so vielen Serien des Studios die Regie führten? Arbeiten Sie besonders gerne mit Studio Lerche zusammen?

Seiji Kishi: Das ist eine schwere Frage. Ich arbeite mittlerweile schon seit sieben Jahren mit Produzent Yūji Higa und dessen Team bei Studio Lerche zusammen an Projekten – darunter unter anderem auch an »Assassination Classroom«. Wir sind mittlerweile gute Freunde und ich versteh mich ziemlich gut mit seinem Team. Es läuft einfach ziemlich gut.

Mit Ihnen ist Makoto Uezu angereist: Der Drehbuchautor ist ein langjähriger Wegbegleiter von Ihnen. Wie haben Sie sich kennengelernt und warum arbeiten Sie immer wieder mit ihm?

Seiji Kishi: Uezu-san und ich haben das erste Mal (vor elf Jahren) zusammen an der Anime-Serie »My Bride is a Mermaid« gearbeitet. Wir waren noch ganz frisch im Geschäft, wodurch zwischen uns eine gewisse Verbundenheit entstanden ist. Ich meine, so wirklich bekannt sind wir noch immer nicht und vor allem sind wir noch lange nicht an unserem Ziel angekommen, weshalb wir auch weiterhin motiviert sind, zusammen Anime zu machen.

Stichwort Lerche & Makoto Uezu: Im Oktober feiert der Fantasy-Anime »Radiant« basierend auf einem französischen Comic seine Premiere. Gab es bisher Dinge, welche anders liefen, im Vergleich zu einer Produktion mit japanischem Ausgangsmaterial und greift der Anime stilistisch seine westlichen Wurzeln auf? 

Seiji Kishi: Der Comic stammt zwar aus Frankreich, er geht allerdings sehr respektvoll mit japanischer Anime- und Mangakultur um. Im Grunde machen wir als japanisches Studio den Titel nun einem breiten, japanischen Publikum zugänglich. Gerade weil es so ein ungewöhnliches Projekt ist, hatten wir aber auch von Anfang an ein weltweites Publikum vor Augen und haben den Anime entsprechend gestaltet. 

Wollen wir noch über ein anderes Projekt von Ihnen reden? Im Zuge der Anime Expo 2018 haben Sie »Kengan Ashura« vorgestellt, einen Gladiatoren-Anime, der 2019 bei Netflix erscheint. Im Trailer sah man schon den sehr eigenen Cell-Shading-Look des Anime. Können Sie uns etwas über den Entscheidungsprozess dahinter erzählen?

Seiji Kishi: Ich denke, 3D-CGI wird in Japan in Zukunft definitiv an Bedeutung gewinnen und dessen Anteil an Anime-Produktionen weiterwachsen. Grundsätzlich haben wir nicht die Gelder und Mittel, um mit amerikanischen Produzenten wie Pixar oder Dreamworks mitzuhalten, was flüssige 3D-Arbeiten betrifft. Darum habe ich mir gedacht, dass wir es irgendwie anders lösen müssen. Wir haben uns dann für einen Bildstil entschieden, der trotz 3D-Technik mit 2D-Shadern sehr zeichnerisch und derb aussieht, um eine eigene Ästhetik zu finden, die mit geringeren Mitteln als die Pixar-Filme auskommt. So eine Technik würde sich sicher auch für andere Anime anbieten. Bei einem Hybrid wie »Kengan Ashura« stecken hinter handgezeichneten 2D-Elementen und computergenerierte 3D-Elementen natürlich zwei ganz andere Produktionsprozesse. Was die handgezeichneten Elemente angeht, gibt es allerdings gar keine so großen Unterschiede zu klassischen TV-Produktionen.

Warum haben Sie sich gegen Motion Capture entschieden?

Seiji Kishi: Dafür hat einfach das Geld gefehlt. *lach* Du musst verstehen, handgezeichnete Animation sind in Japan sehr fortgeschritten und haben eine lange Tradition. So was konnte uns Motion Capture bei unserem Budget nicht bieten, weshalb wir am Handgezeichneten festhielten. Es kann natürlich sein, dass Technologien wie Motion Capturing in Zukunft billiger werden, das Handgezeichnete will ich allerdings auf jeden Fall nicht aufgeben.

Letzte Frage: Gibt es eine Szene in einem Anime, bei dem Sie Regie geführt haben, auf die Sie besonders stolz sind? Können Sie die Szenen und den Denkprozess dahinter beschreiben?

Seiji Kishi: Es liegt nicht an meiner Person, so etwas zu beurteilen. Das entscheidet das Publikum. Manchmal gibt es natürlich während der Produktion Dinge, die ich besonders gut finde. Aber wenn es beim Publikum nicht ankommt, verwerfe ich es direkt wieder für die nächste Produktion.

Wir danken Seiji Kishi für das Gespräch und Mario Hirasaka für seine Hilfe als Dolmetscher.

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