Ersteindruck – »Fist of the North Star Master Edition« – Noch lange nicht tot (Band 1)

Warum immer auf eine Review nach Abschluss der Serie warten, wenn man sich schon nach der ersten Episode beziehungsweise dem ersten Band einen Eindruck bilden kann? Da setzt Ersteindruck an und gibt schon einmal einen Ausblick darauf, ob es sich lohnt, dem Anime oder Manga eine Chance zu geben, oder nicht.

Fist of the North Star Cover
Titel: Fist of the North Star
Genre: Action, Abenteuer
Mangaka: Tetsuo Hara (Zeichner)
Buronson (Autor)
Start: März 1983 (Japan)
Dezember 2022 (Deutschland)
Bände: in 18 Doppelbänden abgeschlossen
Verlag: Manga Cult
Preis: 28,00 €

(Basis für diesen Ersteindruck ist Band 1 der Master Edition im Hardcoverformat.)

»Fist of the North Star« ist eine der erfolgreichsten Manga-Reihen aller Zeiten. Im Vergleich zu anderen Shōnen-Jump-Titeln aus den 80er-Jahren wie »Dragon Ball« oder »JoJo’s Bizarre Adventure« diskutieren deutsche Fans aber eher selten über ihn – sicherlich auch, weil in Deutschland nur die ersten acht Bände im Jahr 2003 von Panini Manga herausgebracht wurden und weil die klassische Animeserie niemals auf Deutsch erschienen ist.

Manga Cult veröffentlicht seit Dezember 2022 nun endlich die extrem edle Master Edition im Hardcover, sodass auch wir deutschen Fans endlich die Geschichte von Kenshiro komplett erleben können. In der folgenden Review möchte ich überprüfen, ob es sich auch in der heutigen Zeit noch lohnt, einen Manga aus den 80ern zu lesen.

(Zusammenfassung)

Nach einem verheerenden Atomkrieg im Jahr 199X liegt die Welt in Trümmern. Banditen haben die Macht an sich gerissen und die Jagd auf die Schwachen eröffnet. Für viele Menschen ist jeder Tag ein Kampf ums blanke Überleben. Doch dann zeichnet sich ein Hoffnungsschimmer am Firmament ab: Der zum Landstreicher degradierte Kenshiro ist fest entschlossen, die Menschen zu beschützen und die Gerechtigkeit in der Welt wiederherzustellen. Dabei nutzt er eine ganz besondere Technik – und so beginnt für ihn eine abenteuerliche Reise durch die apokalyptische Ödnis!

Manga Cult

 

Plus Der erste große Anti-Held

Fist - Scan 1Hokuto no Ken © 1983 by Buronson & Tetsuo Hara / COAMIX

Fans des Weekly Shōnen Jump in den 80ern lasen typischerweise Sport-Serien wie »Ring ni Kakero« oder »Captain Tsubasa«. Shōnen-Action-Manga hatten zu dieser Zeit entweder eher einen Comedy-Aspekt wie beispielsweise »Dr. Slump« oder verfolgten klare Heldenfiguren wie bei »Kinnikuman« und »Wingman«. »Fist of the North Star« stellt im Vergleich zu anderen damaligen Serien einen klaren Bruch mit der typischen Shōnen-Formel dar: Kenshiro ist kein witzig herumtanzender Superheld, dessen Ziel es ist, die Menschheit zu retten. Er ist vielmehr eine Art Bruce-Lee-Klon, dessen einziges Ziel es ist, in einer postapokalyptischen Welt zu überleben. Im Vergleich zu den vorher bekannten, moralisch geprägten Helden, ist Kenshiro dabei jedes Mittel recht. Insofern ist er kein richtiger Held, sondern ein Anti-Held.

(Anmerkung der Redaktion: Die Manga-Serie »Black Angels«, die zwei Jahre zuvor im Weekly Shōnen Jump erschien, hatte zwar auch einen Anti-Helden als Hauptcharakter, erreichte aber weder den Westen noch die Popularität von »Fist of the North Star«.)

Wenn Kenshiro seine Feinde sieht, zerreißt er sie mit seiner Kampfkunst Hokuto Shinken, die das Blut über komplette Seiten spritzen lässt. Man kann ihm aber trotzdem nicht vorwerfen, dass er moralisch fragwürdig handelt, da er beispielsweise direkt im ersten Kapitel einem Dorf hilft, Banditen zu vertreiben, die dieses komplett ausnehmen möchten. Noch spannender ist Kenshiros Verhalten im zweiten Kapitel, in welchem er einem alten Mann hilft, die für sein Dorf zum Anpflanzen gesammelten Reiskörner nach deren Diebstahl wiederzubeschaffen. Kenshiros Begleiter Bat versteht nicht, weshalb man sich für einen alten, unbekannten Mann aufopfern sollte, doch Kenshiro spürt den Drang, moralisch richtig zu handeln.

Der Kontrast zwischen moralischen Handlungen sowie erbarmungslosem Töten seiner Feinde ist die Essenz von Kenshiros Charakter und speziell im Kontext der Gegenwart extrem erfrischend.

 

Plus Episodische Erzählstruktur

Fist - Scan 2Hokuto no Ken © 1983 by Buronson & Tetsuo Hara / COAMIX

Wie viele Mangareihen zuvor (zum Beispiel »Black Jack« oder »Mazinger Z«) erzählt »Fist of the North Star« im ersten Band keine Geschichte mit einem klaren roten Faden, sondern zeigt vielmehr viele kleine unterschiedliche Erlebnisse, die Kenshiro in der von »Mad Max« und »Akira« inspirierten Welt erlebt. Dies war zu Beginn etwas ungewohnt, speziell da ich an die Erzählstrukturen moderner Shōnen wie »Demon Slayer: Kimetsu no Yaiba« oder »Jujutsu Kaisen« gewöhnt bin. Diese teilen ihre Geschichte zwar auch in unterschiedliche Arcs auf, sie hängen aber miteinander zusammen. In »Fist of the North Star« wirken die Einzelgeschichten bis zum letzten Kapitel des ersten Bandes etwas zu stark zusammengewürfelt.

Dies muss den Lesefluss nicht unbedingt stören, weil es auch bedeutet, dass »Fist of the North Star« relativ einfach zu lesen ist. Ich als Leser konnte mich auf die Kämpfe konzentrieren, in der die sehr kreative Kampftechnik Hokuto Shinken zu Ergebnissen führt, die ich bisher in anderen Manga noch nicht gesehen habe. Auf der anderen Seite führt dies im ersten Band auch dazu, dass die verschiedenen Gegner Kenshiros eher wenig Charakterisierung erhalten. So konnte zwar die Hintergrundgeschichte meines Namensvetters Shin zeigen, dass auch dieser nicht nur ein Bösewicht ist, um böse zu sein, etwas mehr Zeit mit der Figur hätte mir aber dabei geholfen, die Emotionen des Kampfes noch stärker zu spüren.

 

Minus Mehr als nur harte Männlichkeit?

Fist - Scan 3Hokuto no Ken © 1983 by Buronson & Tetsuo Hara / COAMIX

Bei »Fist of the North Star« muss erwähnt werden, dass die Geschichte auf den ersten Blick ein klares Bild eines Mannes darstellt: Ein starker Mann hat mehr Muskeln als The Rock, rettet Frauen in Nöten und darf niemals aufgeben. Auf den zweiten Blick ist »Fist of the North Star« aber sehr tiefgründig und bricht relativ früh mit dieser Darstellung von Männlichkeit. So beschreibt Kenshiro, als er den alten Mann im zweiten Kapitel trifft, wie wichtig es für ihn ist, menschlich zu sein und wie sehr er diese Herzlichkeit der Menschen in dieser postapokalyptischen Welt vermisst.

Zusätzlich wird Kenshiros Widersacher Shin zwar als starke und erbarmungslose Person dargestellt, der man typisch männlich konnotierte Attribute zuschreiben würde, im Kampf mit Kenshiro sieht man hingegen seine Zerbrechlichkeit sowie Liebe zu Yuria, die ihn in den Wahnsinn getrieben hat.

»Fist of the North Star« zeigt weiterhin sehr gut auf, dass sich die Menschen nur durch die widrigen Umstände zu diesen muskelbepackten, aggressiven Killermaschinen entwickelt haben, und beschreibt seine Welt als Dystopie. Szenen, in denen die Menschlichkeit in den verschiedenen Dörfern im Mittelpunkt steht, werden im Kontrast zu den Kämpfen als Hoffnung für die Menschheit dargestellt.

Trotzdem ist die Reihe klar männlich dominiert. Wir sehen nur sehr wenige weibliche Charaktere und diese sind entweder Love Interest oder Plot Device. Alle Banditen sowie alle wichtigen Charaktere im ersten Band sind männlich, muskelbepackt und stark. Ich kann mir auch kaum vorstellen, dass sich dies ändern wird.

 

Fazit:

Wer »Fist of the North Star« liest, weiß direkt nach dem ersten Kapitel, was er bekommt: pure Action. Ich selbst mag normalerweise Shōnen lieber, die neben der Action noch weitere Aspekte bieten wie beispielsweise »Hunter x Hunter« oder »Fullmetal Alchemist«. Trotzdem hat »Fist of the North Star« mir sehr viel Spaß gemacht, gerade weil die Serie hält, was sie verspricht, auch wenn man ihr das Alter in einigen Story-Passagen anmerkt.

Falls man Spaß an dystopischen Welten sowie gut inszenierten Kämpfen hat, sollte man »Fist of the North Star« unbedingt eine Chance geben. Doch auch Fans von eher dramatischen Manga sollten hier einmal reinschauen, da heutige Klassiker wie »Berserk« oder »Vinland Saga« nur aufgrund von »Fist of the North Star« existieren.

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Rezensionsexemplar - Manga Cult

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