Anime-Review: Cyberpunk: Edgerunners – Rettet der Anime jetzt das Videospiel?

Gleipnir - Cover
Titel: Cyberpunk: Edgerunners
Genre: Action, Science-Fiction
Studio: Trigger
Release: 13. September 2022
Episoden: 10 à 25 Minuten
Publisher: Netflix
Preis: im Abo enthalten

Anime hat Cyberpunk als Science-Fiction-Subgenre stark geprägt. Der Einfluss von Titeln wie »Akira«, »Ghost in the Shell« und »Serial Experiments Lain« ist in Werken des Genres über die Grenzen von Anime hinaus oft deutlich zu erkennen. Nun bekommen wir mit »Cyberpunk: Edgerunners« eine hochkarätige Produktion aus Japan, die sich der Thematik wieder annimmt. Zu Grunde liegt der Serie die Welt des 2020 erschienenen Videospiels »Cyberpunk 2077«, welches für seinen nahezu unspielbaren Veröffentlichungszustand berüchtigt ist.

Bei »Tengen Toppa Gurren Lagann«- und »Kill la Kill«-Regisseur Hiroyuki Imaishi, der nicht zuletzt auch mit seinem Film »Promare« überzeugte, ist dieser actionreiche Ableger des Genres sicher in guten Händen. Ob die damit verbundenen Erwartungen erfüllt werden oder ob es dem zweifelhaften Ruf seiner Vorlage folgt, ordne ich heute ein.

(Zusammenfassung)

Der Straßenjunge David versucht in einer von Technologie und Körpermodifikationen besessenen Stadt der Zukunft zu überleben. Obwohl er so alles verlieren könnte, entscheidet er sich, sein Überleben zu sichern, indem er ein »Edgerunner« wird, ein gesetzloser Söldner, auch bekannt als »Cyberpunk«.

in Anlehnung an Anisearch

Handlung

»Cyberpunk: Edgerunners« legt den Fokus auf die Beziehung zwischen David und Lucy sowie deren Gigs in der Unterwelt der neonbeleuchteten Night City. Im Zuge der Arbeit der Edgerunner kommt es immer wieder zu gefährlichen Situationen, die nicht selten auch tödlich ausgehen können. David lässt seinen Körper aus diesem Grund immer weiter mit technischen Upgrades modifizieren. Diese können allerdings zu einer »Cyberpsychose« führen, einem wahnsinnigen Amoklauf des Betroffenen. Hier hat die Serie meiner Meinung nach viel Potenzial verschenkt. Die Thematik »Transhumanismus«, das Verbessern des Körpers und Geistes durch Technologie, ist kein seltenes Thema in dem Genre und bietet viel Spielraum für clevere Konzepte. Allerdings fühlt es sich hier an, als sei das Limit willkürlich. Sobald dieses überschritten wird, verliert die Person von jetzt auf gleich den Verstand. Das erscheint gerade im Vergleich zu anderen Genre-Vertretern stumpf und wird noch einmal verstärkt durch das Motiv der Klippe, das die Serie abermals und abermals erklärt. So oft, dass man sich für dumm verkauft fühlt.

Die Liebesbeziehung zwischen David und Lucy entwickelt sich auf der anderen Seite hauptsächlich über Montagen. Nach ein paar wenigen Momenten, die gut funktionieren, folgt dann auch schon ein Zeitsprung und wir sehen, wie beide sich auseinandergelebt haben. Ich finde, hier wurde auch Potenzial verspielt, obwohl diese Thematik schon besser flutscht als der Transhumanismus-Aspekt.

Ihre Highlights hat die Handlung aber in den kleineren Momenten zwischen den Charakteren und während den Aufträgen. Besonders der Gig nach dem Zeitsprung zeigt, wie die Charaktere sich entwickelt haben, und ist eine großartige Überleitung in den letzten Abschnitt der Handlung.
Außerdem funktioniert der Erzählfluss gut. Selten endet eine Folge, ohne dass man wissen will, wie es weitergeht. Das gelingt sogar ohne übermäßiges Verwenden von Cliffhangern.

Charaktere

Neben den beiden Hauptfiguren David und Lucy lernen wir schnell den Rest der Crew kennen. Dabei liegt auf drei Charakteren besondere Aufmerksamkeit, während der Rest leider austauschbar bleibt.

Maine, der Anführer der Edgerunner, entwickelt sich schnell zu einer Mentor-Figur für David, nicht nur wegen seiner muskulösen Statur, sondern auch wegen seinem väterlichen Auftreten. Rebecca, die den Archetyp der Waffennärrin erfüllt, macht auf dem Bildschirm auf jeden Fall am meisten Spaß. Ihre schießwütige Art harmoniert mit der actionreichen Stimmung von Edgerunners super. Kiwi, die als Netrunnerin immer die zweite Geige spielt, wird durch die Ereignisse der Serie am Ende zur Verräterin. Diese Figuren haben eine gute Chemie untereinander, bauen aufeinander auf, aber entwickeln sich nicht wirklich weiter.
Dasselbe gilt für die beiden Hauptfiguren. Bei den Nebenfiguren finde ich das in Ordnung, aber gerade bei den tragenden Charakteren erwarte ich eigentlich etwas mehr. David ist von Anfang an ein naiver Junge, der sich für die Träume anderer aufopfert. Lucy ist eine verschlossene, kühle, fähige Schönheit, die durch ihre Verschwiegenheit Probleme für die Personen verursacht, die sie eigentlich damit beschützen möchte. Obwohl diese Eigenschaften immer wieder Probleme für die beiden verursachen, ändern sie sich nicht. Besonders nach einem Zeitsprung ist das schade.

Trotz der statischen Natur der Figuren funktionieren sie gut miteinander und innerhalb der zehn Episoden bekommen wir hinreichend verschiedene Kombinationen, um neue zwischenmenschliche Beziehungen zu entdecken.

Animation

Die Animation und der visuelle Stil sind die Stars der Show. Imaishi hat über die Jahre seinen eigenen Stil gefunden. Er geht oft Off-Model, nutzt viele Bewegungslinien und weitere deformierende Effekte, allerdings hält er sich damit in »Cyberpunk: Edgerunners« etwas zurück. Das fällt aber nicht wirklich ins Gewicht, weil die großen, einfarbigen Flächen der Charakterdesigns, wie zum Beispiel in Davids Jacke, perfekt mit dem Stil harmonieren. Die Hintergründe sind oft deutlich komplexer und können oft auch in der Spielwelt der Vorlage gefunden werden. Wider Erwarten verbinden sich die detaillierten Hintergründe gut mit den simpleren Charakteren.

Die Effekte für die Augmented-Reality-Displays fügen sich ebenfalls gut in den Stil ein. Die Netrunner-Szenen, also die Szenen, in denen Charaktere eine digitale Welt betreten, sind in schwarz-weiß gehalten. Die Figuren behalten allerdings ihre Farben, was nicht nur ein cooler visueller Effekt ist, sondern auch verdeutlicht, dass wir uns in einer unnatürlichen Umgebung befinden, aber immer noch menschlichen Figuren folgen.

Eines ist mir dann allerdings doch negativ aufgefallen. Der Effekt, der den Ausbruch einer Cyberpsychose verdeutlichen soll, wirkt billig. Er verzichtet auf Schatten und nutzt trotz Glitch-Effekten kein Lighting, was heraussticht und wie ein flaches Stück Papier in der dreidimensionalen Welt wirkt. Das fällt aber weniger ins Gewicht, da es nicht so häufig vorkommt. Es werden auch 3D-Animationen genutzt, besonders bei Autos. Bis auf eine Ausnahme gegen Ende ist das nie negativ aufgefallen und lässt sich sogar kaum von den 2D-Animationen unterscheiden.

Sound

Die meisten Soundeffekte, wie die für Anrufe, Autos und Waffen, wurden direkt aus der Spielvorlage entnommen. Das macht auch Sinn, da diese Effekte zur Marke »Cyberpunk 2077« gehören, man nicht noch mal neue Soundeffekte produzieren muss und die Soundkulissen zu den großen Pluspunkten des Spiels zählen.

Auch die Lieder, die der Anime verwenden, sind aus dem Spiel entliehen. Dabei ist die Bandbreite extrem hoch. Neben ein paar atmosphärischen Instrumentalstücken findet man alles von Alternative Rock über EDM bis hin zu Pop. Titel wie »I Really Want To Stay At Your House« und der noch mal extra veröffentlichte Track »Let You Down haben es sicher auch schon auf einige Playlists geschafft.

Fazit

Handlung: Charaktere: Animation: Sound: Gesamt:
6 / 10 7 / 10 9 / 10 9 / 10 81 / 100

»Cyberpunk: Edgerunners« ist audiovisuell fantastisch und hat die Erwartungen an Studio Trigger und Imaishi erfüllt. Allerdings fand ich die Handlung etwas platt im Vergleich zu anderen Genre-Vertretern, da waren meine Erwartungen vielleicht auch etwas hoch. Cyberpunk ist eben eines meiner liebsten Subgenres. Abgesehen davon verfügt die Handlung aber über gute Charakter-Interaktionen und ein treibendes Pacing, wodurch es selten langweilig wird.

Insgesamt freut es mich, dass ein Anime mit so hohem Produktionswert auch in der breiteren Öffentlichkeit angekommen ist, und vielleicht gibt es ja in Zukunft auch ein paar mehr Cyberpunk-Shows.

Plus Minus
  • audiovisuell einer der besten Anime des Jahres
  • schnelles Pacing mit hohem Binge-Faktor
  • wenig Tiefe
  • einige Plotlines haben zu wenig Platz

Ähnlich: Kill la Kill, Akudama Drive

1 Kommentar zu »Anime-Review: Cyberpunk: Edgerunners – Rettet der Anime jetzt das Videospiel?«

  1. Licht sagt:

    Ich fand „Edgerunners“ bis zur Hälfte echt schlecht und habe mich echt gewundert, warum dieser Anime so im Hype war bzw. ist. Die Charactere haben mich persönlich gar nicht angesprochen. Wir haben den naiven David, der warum auch immer auf die lustige Idee kommt, ein Edgerunner zu werden. Man könnte vermuten seine Gründe dazu sind einfach nur einen Sinn im Leben zu haben und bei Lucy zu sein, da ihm alles Weg genommen wurde, was er besseren hat. Wir haben die kalte Lucy. Eine typische Tsundere, bis zum Ende gibt es keine tiefere Charakterentwicklung. Es gab Maine, den Vater, der seinem Sohn (David) versucht, das Beste zu tun. Aber er hat ihm letzenendes einfach nur seine Ideologie aufgedrückt. Den Typen fand ich so blöd und stumpf, dass ich mich sogar gefreut habe, als er erstorben ist. Es gab noch Kiwi und Rebecca, die ich am besten fand, da sie erst in der zweiten Hälfe wirklich interessant wurden, welche ich deutlich besser fand und mir den gesamten Anime echt gerettet hat. Ich habe die ganze Zeit versucht innerhalb der ersten Hälfte den Sinn hinter der Serie zu sehen. Es ging einfach nur darum, dass die irgendwelche Aufträge von Fixern gemacht haben. Ich als jemand, der das Spiel vor dem Anime gespielt hat, finde, dass das echt nicht viel Neues in der Cyberpunk Welt ist. Dazu hat sich die erste Hälfte sehr rushed angefühlt. Was daran liegt, dass es halt auch sehr schnell alles erzählt wird. Bis zum Timeskip habe ich echt keinen tieferen Sinn hinter der Serie gesehen. Es gab kein wirkliches Ziel, dass David verfolgt hatte. In Folge 1 ging es noch darum Geld zum Überleben zu bekommen und später hat er dann das Geld und ist zufrieden unter seinen Crew-Mitgliedern. So und dann hat sich das Blatt gewendet. Als David zum Schluss aus einem Auftrag nicht mehr rauskommt und aus irgendeinem Grund immer noch Aufträge macht, obwohl er ja ganz viel Eddies hatte und so, verliert er immer mehr selbst die Kontrolle über seinen Körper und schließlich hinterfragt er endlich selbst, warum er das überhaupt noch tut. So sieht er sich selbst, als den Mörder seiner Mutter, als er eine Zivilistin umbringt. An einer Stelle, wo Kiwi sich fragt: „Was mache ich hier eigentlich?“ musste ich leicht schmunzeln, denn genau das habe ich mich auch die ganze Zeit gefragt. Schließlich kommt David nicht mehr aus dem Geschehen heraus und um Lucy zu retten, setzt er sich einen Anzug an, der ihn umbringt, aber ihm unglaubliche Kräfte gibt. Er wird selbst zum Cyberpsycho. Auch im Laufe der Serie kommt es später immer mehr als früher vor, dass die Passanten: „Hilfe ein Cyberpsycho“ rufen, aber von David sprechen. An der Stelle fragt man sich natürlich, ist David schon ein Cyberpsycho? Und ab wann ist man ein Cyberpsycho? Alleine die Entscheidung sich so viel Chrom reinzuballern ist ja komplett geisteskrank. Der von Anfang an völlig durchgeknallte David entscheidet sich dazu, es dieses Mal nicht zu vermasseln und jemanden zu retten, den er liebt, wie seine Mutter. Nicht das Chrom macht dich zum Psycho, sondern entweder du warst vorher schon ein Psycho oder eben nicht. Jemand, der ein ganz normales Leben führt, würde sich nicht grundlos Chrom reinballern. David hat dies getan, weil er etwas Besonderes sein wollte. Aber hat dabei vergessen, dass „besonders“ nicht bedeutet, dass er gar keine Grenzen mehr hat. Hier eine Vergleich: Jemand der viel säuft und plötzlich die Fähigkeit erlangt mehr als sonst zu trinken, wird sich daran gewöhnen und trotzdem wieder Alkoholprobleme bekommen. Hier kommt wieder Davids Naivität ins Spiel. All diese Fragen, kommen erst zum Ende der Serie auf, was ich prinzipiell in Ordnung finde, aber den Anfang nichtsdestotrotz sehr kurzatmig finde. So konnte ich viele Charaktere wie z.B. Lucy nicht so wirklich ins Herz schließen, da sie mir halt irgendwie egal war. Ihr Hintergrund wurde erst ziemlich zum Ende aufgeklärt und war dann aber auch nicht mehr wirklich von großer Bedeutung. Ich denke, man hätte die Serie gern 2-3 Folge strecken können und auch mal den Zuschauer selbst denken lassen können. Und besonders am Anfang direkt mit Rätseln oder Fragen konfrontieren müssen. Wären bei dieser Geschwindigkeit Fragen aufgekommen, wär man aus der Handlung geflogen, da diese meiner Meinung nach auch schon ein bisschen Vorwissen beansprucht. Hier soll man lieber keine Frage stellen und einfach nur zugucken. Man soll nur schauen, aber nicht sehen.

    Persönlich würde ich Cyberpunk: Edgerunners 3,5/5 Sternen geben.

    +
    Audiovisuell Top
    Tiefere Message zum Ende der Serie
    atmosphärisch
    Gute Verbindung zwischen Anfang und Ende der Serie. Das Ziel der Serie wird erst zum Ende erkennbar (David möchte seine Fehler wieder gut machen)


    Charaktere sind flat und fucken mich ab 😀
    Die Brutalität lenkt sehr stark von der Handlung ab, wenn man nicht daran gewöhnt ist, was schade ist, da die Brutalität nicht relevant für die Handlung oder die Message ist.
    Zum Anfang wird sehr stark durch die Handlung gerast, ohne Sinn und Verstand (Man fragt sich die ganze Zeit, warum die das eigentlich machen). Einfach nur, um den Zuschauer auf einen Stand zu bringen, um dann mit der wirklichen Geschichte zu beginnen. (Timeskip)

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