Ersteindruck – »Ping Pong« – Schönheit kommt von innen! (Band 1)

Warum immer auf eine Review nach Abschluss der Serie warten, wenn man sich schon nach der ersten Episode beziehungsweise dem ersten Band einen Eindruck bilden kann? Da setzt Ersteindruck an und gibt schon einmal einen Ausblick darauf, ob es sich lohnt, dem Anime oder Manga eine Chance zu geben, oder nicht.

Ping Pong - Band 1
Titel: Ping Pong
Genre: Sport, Coming-of-Age
Mangaka: Taiyō Matsumoto
Start: Juli 1996 (JP)
Bände: in 3 Doppelbänden abgeschlossen
Verlag: Reprodukt
Preis: 14,90 € pro Band

(Basis für diesen Ersteindruck ist der erste Band.)

Wie finden wir eigentlich heraus, was wir wirklich mögen? Diese Frage stellt sich Protagonist Smile in Reprodukts neuer Manga-Veröffentlichung »Ping Pong«, dessen Anime im Jahr 2014 im japanischen TV sowie im Simulcast auf Crunchyroll erschienen ist und mit dem großen Preis des Tokyo Anime Awards Festival ausgezeichnet wurde. Der Manga des Zeichners Taiyō Matsumoto (»Tekkon Kinkreet«) ist noch viel älter: Nachdem er zwischen 1996 und 1997 in Japan veröffentlicht wurde, kommt er nun nach einer sehr langen Zeit endlich nach Deutschland. Als ehemaliger Tischtennisspieler und großer Sport-Manga-Fan stelle ich mir heute die Frage: Hat sich das nach all dieser Zeit gelohnt?

(Zusammenfassung)

Makoto »Smile« Tsukimoto und sein Freund Yutaka »Peko« Hoshino spielen seit ihrer Kindheit Tischtennis. Als sie in die Oberschule kommen, sieht der Sportlehrer in ihnen ein Potenzial, das sie selbst noch nicht erkannt haben, und rekrutiert sie für die Schulmannschaft. Beim Sommerturnier müssen sie gegen die besten Spieler der rivalisierenden Schulen antreten, darunter ein chinesischer Austauschschüler, der es fast in die Olympiamannschaft geschafft hätte. Können Smile und Peko dem Druck standhalten und es bis ins Finale schaffen?

Reprodukt

Plus Was bedeutet Motivation?

Ping Pong - Scan 1Ping Pong © 1996 by Taiyo Matsumoto / SHOGAKUKAN

»Ping Pong« wirkt zu Beginn wie ein typischer Sport-Manga. Der Protagonist Smile geht gemeinsam mit seinem Freund und Rivalen Peko auf die Oberschule und spielt Tischtennis im zugehörigen Schulklub. Doch relativ schnell wird klar, dass Smile kein stereotyper Genki-Boy wie Hinata aus »Haikyu!!« oder Aoi aus »Aoashi« ist, aber auch wenige Gemeinsamkeiten zu mysteriösen und ruhigen Figuren wie Kuroko aus »Kuroko’s Basketball« oder Ippo aus »Hajime no Ippo« hat. Smile hat im Vergleich zu diesen Figuren keine Motivation, im Tischtennis erfolgreich zu sein. Er geht nicht zum Training, interessiert sich kaum für seine Gegner und in den Matches gegen seine Rivalen scheint er absichtlich zu verlieren.

Berechtigt ist die Frage, warum Smile überhaupt Tischtennis spielt. Smile hat keine Motivation zu gewinnen, er möchte den Sport aber auch nicht komplett aufgeben. Er wird von seinem Trainer in »Mila Superstar«-Manier bis zum Zusammenbrechen trainiert und lässt dies über sich ergehen, obwohl er selbst nicht unbedingt gewinnen möchte. Dieser Widerspruch im Verhalten von Smile zieht sich durch den gesamten ersten Band von »Ping Pong«. Da ich diese Art von Hauptfigur in einem Sport-Manga bisher noch nicht gesehen habe, kann »Ping Pong« mit seinen Wendungen überraschen, wo andere Vertreter nach dem Schema F arbeiten.

Mixed Wie sieht das denn aus?

Ping Pong - Scan 2Ping Pong © 1996 by Taiyo Matsumoto / SHOGAKUKAN

Viele Fans aktueller Sport-Manga wie »Blue Lock« wird »Ping Pong« eher abschrecken, da die Zeichnungen nicht besonders modern aussehen. Zeichner Matsumoto mixt realistische Darstellungen mit expressionistischen Elementen, um ein spezielles Leseerlebnis zu schaffen. Die Gesichter der Figuren sind sehr simpel gehalten und wirken teilweise – speziell bei Peko – stark überzeichnet.

Auf den ersten Blick könnte man als Leser zwar denken, dass »Ping Pong« nicht unbedingt wie ein professioneller Manga aussieht, beim Lesen fällt aber sehr schnell auf, dass die Darstellung ein stilistisches Mittel ist. So helfen die eher einfachen Formen Matsumoto dabei, die Tischtennis-Matches sehr dynamisch darzustellen. Durch stark deformierte Gliedmaßen sowie teils monsterähnliche Gesichtsausdrücke schafft es Matsumoto, die Dynamik eines Tischtennisspiels darzustellen. Eine ähnliche Auswirkung haben plötzliche Wechsel der Beleuchtung der einzelnen Panels.

Wie viele Sport-Manga kommt »Ping Pong« in den Matches selbst ohne viel Dialog aus. Die variable und dadurch dynamische Panelgestaltung führt trotzdem dazu, dass ich die Matches nicht einfach durchgeblättert habe, sondern gebannt von Panel zu Panel gehüpft bin, wie es bisher kaum ein Sport-Manga geschafft hat. Das geschickte Zwischenschieben einzelner Panels, die nur die Schuhe der Spieler oder den Zwischenstand zeigen, baut zusätzlich Spannung auf. Insofern kann der Zeichenstil zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig wirken, nach wenigen Seiten habe ich mich aber an ihm nicht mehr gestört.

Plus Wie möchten wir als Menschen wahrgenommen werden?

Ping Pong - Scan 3Ping Pong © 1996 by Taiyo Matsumoto / SHOGAKUKAN

»Ping Pong« ist zwar eine Sport-Manga, lebt aber von seinen Charakteren. Im ersten Band wird zwar größtenteils nur der Protagonist Smile beleuchtet, aber auch bei den anderen Figuren blickt in einzelnen Szenen durch, wie viel Herzblut in die Charakterisierung geflossen ist. So hat Smiles Trainer Butterfly Joe eine tragische Tischtennisvergangenheit, die dazu führt, dass er Smile unbedingt zu einem der weltbesten Spieler ausbilden möchte. Das führt dazu, dass er Trainingsmethoden nutzt, die ich persönlich als zu hart einstufen würde. Trotzdem kann ich ihn nicht verabscheuen, da ich die Hintergründe seines Handelns verstehe.

Auch die Rivalen der anderen Schulen sind in nur wenigen Panels stark charakterisiert. So kommt der Spieler Wenge Kong nach Japan, um ein Schulteam zu unterstützen. Gegnerische Teams nennen ihn Söldner und auch eigene Teammitglieder können sich aufgrund seiner Arroganz nicht mit ihm anfreunden. Diese Arroganz zeigt er nach außen stark, in seinem Inneren ist er hingegen weitaus verletzlicher, da er sich selbst als Versager sieht: »Ein chinesischer Jugendspieler, der nach Japan abgeschoben wird, kann kein guter Tischtennisspieler sein.« Wie Smile und Butterfly Joe wird Kong also stark von der Wahrnehmung anderer beeinflusst.

Anders ist es derzeit noch für Smiles Rivalen Peko. Dieser ist im Vergleich zu seinem Freund sehr ehrgeizig, extrovertiert und macht sich keine Gedanken darüber, wie andere Menschen ihn wahrnehmen. Das führt dazu, dass er in vielen Situationen mit unterschiedlichen Figuren aneckt. Die bisherige Charakterisierung der unterschiedlichen Figuren lässt aber erahnen, dass auch Peko nicht frei von äußeren Einflüssen handelt. Diese unglaublich nuancierte Darstellung der Charaktere unterscheidet »Ping Pong« stark von anderen Sport-Manga.

Fazit:

»Ping Pong« wird nicht ohne Grund in vielen Teilen der Community Meisterwerk genannt. Nur selten schafft es ein Sport-Manga schon im ersten Band spannende Matches, interessante Figuren sowie ein klares Leitmotiv einzuführen. Nach dem ersten Band lässt sich die Entwicklung der einzelnen Figuren nur erahnen, sodass ich sehr gespannt auf den zweiten Band bin und die Antwort auf die Frage, wie weit Smile im Tischtennis gehen möchte.

Ich hoffe, dass deutsche Manga-Fans sich nicht von dem etwas gewöhnungsbedürftigem Zeichenstil beeinflussen lassen und der Geschichte eine Chance geben. Dieser Manga ist nicht nur für Sport-Fans, sondern für jeden deutschen Manga-Leser zu empfehlen.

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