Ersteindruck – »Soloist in a Cage« – Deshalb solltet ihr euch immer an das Gesetz halten! (Band 1)

Warum immer auf eine Review nach Abschluss der Serie warten, wenn man sich schon nach der ersten Episode beziehungsweise dem ersten Band einen Eindruck bilden kann? Da setzt Ersteindruck an und gibt schon einmal einen Ausblick darauf, ob es sich lohnt, dem Anime oder Manga eine Chance zu geben, oder nicht.

Soloist in a Cage - Band 1
Titel: Soloist in a Cage
Genre: Horror, Mystery
Mangaka: Shiro Moriya
Start: September 2018 (JP)
Bände: in 3 Bänden abgeschlossen
Verlag: Manga Cult
Preis: 14,00 € pro Band

(Basis für diesen Ersteindruck ist der erste Band.)

Wie sollte in einer Gesellschaft mit Verbrechern und Abtrünnigen umgegangen werden? Diese Frage wurde schon von vielen unterschiedlichen Politikern, Philosophen und Soziologen diskutiert, eine allgemein akzeptierte Antwort wurde bisher noch nicht gefunden. Der neue Manga »Soloist in a Cage« von Debütant Shiro Moriya bietet einen spannenden Blick auf eine Gesellschaft, in der Verbrecher von der restlichen Gesellschaft verstoßen werden. Als großer Fan dieser ethischen Fragen hoffe ich, dass »Soloist in a Cage« zeigt, zu welchen Problemen diese Art des Wegsperrens von Verbrechern führt. Aber tut der Manga das?

(Zusammenfassung)

In einem Gefängnis in der Größe einer Stadt lebt ein junges Mädchen allein mit ihrem kleinen Bruder. Aus diesem schneebedeckten, trostlosen Käfig gibt es kein Entkommen – und aus Angst vor den brutalen Gefangenen hat Chloe bisher noch nicht einmal ihr Zimmer verlassen. Doch als sie eines Tages in den Plan ihres Nachbarn verwickelt wird, beginnt für sie das größte Abenteuer ihres Lebens …

Manga Cult

Plus Was bedeutet es, gebraucht zu werden?

Soloist in a Cage - Scan 1ORINONAKANO SOLOIST © 2018 by Shiro Moriya

»Soloist in a Cage« schafft es direkt im ersten Kapitel, die Beziehung unserer Hauptfigur Chloe zu ihrem kleinem Bruder Rock treffend zu beschreiben. Beide Kinder können ihr kleines, kahles Zimmer nicht verlassen, da sie sonst keine Chance hätten, in einer Stadt voller aggressiver Verbrecher zu überleben. Lebensmittel erhalten sie nur als Geschenk eines Mithäftlings. Chloes Leben ist aber keineswegs von Langeweile geprägt, da sie die Aufgabe hat, sich um ihren kleinen Bruder Rock zu kümmern. Diese Rolle gibt ihr die Kraft, auch am nächsten schrecklichen Morgen wieder aufstehen zu können. Das bedeutet aber auch, dass die Geschwister abhängig voneinander sind: Rock kann ohne Chloe als Baby nicht überleben, aber auch Chloe hat ohne Rock keinen Grund ihr Leben weiterzuführen.

Bei der gemeinsamen Flucht aus der Stadt mit ihren großzügigen Nachbarn lässt Chloe ihren kleinen Bruder unabsichtlich zurück. Somit verliert nicht nur Rock seine große Schwester und seine Lebensstütze, vielmehr verliert auch Chloe ihren Überlebensgrund. Statt sich damit zu beschäftigen, wie sie ihr Leben außerhalb des Gefängnisses nutzen will, sind ihre Gedanken immer noch dort gefangen. Sie muss sich fragen: »Warum bin ich überhaupt geflohen?« Um ihrem Leben wieder einen Sinn zu geben, muss Chloe nun also ihren Bruder wiederfinden. Dieses Motiv des Lebenssinns ist ein wichtiger Teil von »Soloist in a Cage« und hat bei mir – ähnlich wie bei »Rainbow: Die Sieben von Zelle Sechs« – abwechselnd Hoffnung und Verzweiflung hervorgerufen.

Mixed Brutal auf allen Ebenen

Soloist in a Cage - Scan 2ORINONAKANO SOLOIST © 2018 by Shiro Moriya

Im Vergleich zu sonstigen Manga der »Shōnen Jump«-Brand ist »Soloist in a Cage« viel düsterer gezeichnet – und das soll nach »Demon Slayer« und »Chainsaw Man« was heißen. Die dunklen, kargen Hintergründe sowie die starken Schraffierungen schaffen ein Gefühl der Hilflosigkeit. Als Leser konnte ich durch diese Darstellung sehr gut die Gefahr empfinden, die die Gefängnisstadt ausstrahlen soll. Unterstützt wird dies durch das Design der vielen unterschiedlichen Nebenfiguren, denen Chloe im Laufe ihrer Geschichte begegnet. Stark tätowierte, lüsterne Männer sowie gut aussehende Männer in Anzügen, die stark an die italienische Mafia erinnern, unterstützen dieses Gefühl der Gefahr.

Kommt es zur Konfrontation zwischen den Bewohnern der Stadt, ist die Interaktionen größtenteils nur durch Gewalt gekennzeichnet: Stärkere können die Schwachen einfach umbringen oder versklaven und Frauen werden zur Prostitution gezwungen. Die Darstellung dieser Konflikte ist sehr explizit und könnte somit für einige Leser etwas abschreckend sein. »Soloist in a Cage« ist aber nicht nur körperlich, sondern auch psychisch brutal. Chloe trifft zu Beginn des zweiten Kapitels zwei weitere Kinder, die in die Gefängnisstadt transportiert werden. Nachdem man diese Figuren kennengelernt hat, haben es die anderen Insassen auch schon auf sie abgesehen. Damit zeigt Mangaka Moriya, warum das Überleben in dieser Stadt als Kind kaum möglich ist. Ich kann mir als Leser also nie sicher sein, was mit den lieb gewonnenen Figuren geschieht. Glücklicherweise existieren aber diese kleinen, positiven Lichtblicke in dieser Welt, da diese an einigen Stellen doch etwas zu stereotypisch böse ist und dadurch an Glaubwürdigkeit verliert.

Plus Was ist das Ziel eines Gefängnisses?

Soloist in a Cage - Scan 3ORINONAKANO SOLOIST © 2018 by Shiro Moriya

Wie kann mit Personen, die sozial abweichendes Verhalten gezeigt haben, umgegangen werden? »Soloist in a Cage« findet zwar keine Antwort auf diese Frage, bietet aber spannende Anhaltspunkte zur Diskussion. In der Welt des Manga werden alle Abweichler gemeinsam in eine Stadt gesteckt. So müssen Kinder, die einmal ein Brot geklaut haben, gemeinsam mit Massenmördern ohne staatliche Kontrolle leben. Wie der Manga eindrucksvoll zeigt, führt dies dazu, dass wenige mächtige Menschen die Regeln des Zusammenlebens in dieser Stadt kontrollieren können und ihre Verbrechen weiter ausüben. Da die staatliche Kontrolle fehlt, ist es sogar weitaus einfacher, Morde durchzuführen oder andere menschliche Gesetze zu brechen. Eine Re-Integration der Verbrecher ist in dieser Welt somit gar kein Ziel. Die Menschen in dieser Stadt wurden aufgegeben. Dabei kann man sich wirklich die Frage stellen, ob ein kleines Kind es verdient hat, diese Bestrafung aufgrund eines eventuell sogar gerechtfertigten Gesetzesbruch zu erhalten.

Spannenderweise zeigt »Soloist in a Cage« dabei nicht mit erhobenem Zeigefinger auf bestimmte Figuren und urteilt über sie. Vielmehr muss ich als Leser selbst entscheiden, welche Handlungen ich als moralisch korrekt einordne. Ist es okay, dass Chloe tötet, um ihren Bruder zu retten? Ist es in Ordnung, Verbrecher aus Rache zu töten? Diese Fragen beantwortet Moriya nicht abschließend. Dies ist eine der großen Stärken der Serie, weil ich mich als Leser nicht bevormundet fühle.

Fazit:

»Soloist in a Cage« hat mich sehr positiv überrascht. Neben viel Drama stellt der Manga einige spannende philosophische und soziologische Fragen und hat mich so beim Lesen (sowie danach) zum Nachdenken gebracht. Eine wichtige Frage wird nun sein: Welche dieser Fragen kann und möchte Moriya in den kommenden zwei Bänden beantworten?

Fans von gutem Drama sollten sich bei »Soloist in a Cage« auf jeden Fall nicht von einer sehr jungen Hauptfigur abschrecken lassen, solange sie kein Problem mit expliziten Gewaltdarstellungen haben. Manga Cult könnte hier auf jeden Fall schon einmal einen heißen Anwärter auf den Manga des Jahres liefern.

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